Zukunft der Bundesliga: Zwischen Streaming-Boom und globalem Wettbewerb
In der sich rapide wandelnden Medienwelt ist Holger Enßlin eine Stimme mit Gewicht. Der ehemalige Sky-Manager war an sechs Rechteverhandlungen der Fußball-Bundesliga beteiligt und gilt als intimer Kenner der Branche. Heute steuert er die Geschäfte der Sportrechteagentur Commercial Sports Media in Deutschland.

Im Gespräch mit den Dortmunder „Ruhr Nachrichten“ analysierte er jetzt die drängendsten Herausforderungen – und skizzierte Szenarien, die das Gesicht des deutschen Fußballs verändern könnten.
Die Lage auf dem Medienmarkt beschreibt Enßlin dabei als angespannt. Das Überangebot an TV- und Streamingdiensten treffe auf eine Nutzerschaft mit sich wandelnden Sehgewohnheiten – vor allem in der jüngeren Generation. Gleichzeitig entziehe die Digitalisierung den klassischen Medienhäusern wichtige Einnahmequellen, etwa durch abwandernde Werbebudgets in Richtung Social Media. In diesem schwierigen Umfeld müssten sich nationale Anbieter gegen globale Player wie Amazon oder Apple behaupten – ein Unterfangen, das nicht jeder überleben werde. Erste Konsolidierungstendenzen seien bereits sichtbar.
Trotz dieser Umstände habe die Bundesliga zuletzt ihre Erlöse stabil halten können – auch dank des Wettstreits zwischen Sky und DAZN, die beide auf die Premiumrechte angewiesen seien. Allerdings erkenne man auch hier eine zunehmende Vorsicht in der Branche. Große Investitionen in teure Sportrechte seien schwer refinanzierbar, insbesondere bei sinkendem Zuschauerwachstum. Die Zahlungsbereitschaft sei erschöpft: Wer heute alle großen Fußballwettbewerbe live verfolgen wolle, müsse mit mehr als 80 Euro im Monat rechnen – ein Preisniveau, das vor allem junge Menschen abschrecke.
Enßlin sieht daher das traditionelle Pay-TV-Modell unter Druck. Die fragmentierte Rechtevergabe, kurze Vertragszyklen und hohe Preise erschwerten die langfristige Planung – sowohl für Medienunternehmen als auch für die Klubs. Neue Wege seien nötig, um das Produkt Fußball zukunftsfähig zu gestalten. Eine Option sei, dass die Liga selbst stärker als Produzent und Vermarkter auftrete. Denkbar sei auch ein umfassender Rechteverkauf an Tech-Giganten wie YouTube – mit langfristigen Vereinbarungen, die Innovation ermöglichen und neue Zielgruppen erschließen.
Solche Strategien hätten allerdings Grenzen. Die Bundesliga bleibe in hohem Maße ein nationales Produkt; der Großteil der Erlöse werde im deutschsprachigen Raum erzielt. Um international attraktiv genug für globale Buy-out-Deals zu sein, brauche es mehr internationale Stars und eine stärkere mediale Präsenz im Ausland – ein Punkt, bei dem Enßlin auf die US-Liga MLS verweist, deren Partnerschaft mit Apple auf dem weltweiten Interesse an Lionel Messi beruht.
Im Gegensatz dazu sei die Bundesliga bislang nicht im Fokus von Amazon oder Apple. Langfristige Milliardenverträge wie in der NFL oder NBA seien in Europa selten – auch, weil der Wettbewerb offener und weniger kontrollierbar sei. Dennoch könne eine Ausschreibung über längere Zeiträume – etwa acht bis zehn Jahre – Planungssicherheit schaffen, was für Vereine wie für Medienunternehmen ein Gewinn wäre.
Dabei bleibe das System des Auf- und Abstiegs ein hemmender Faktor für wirtschaftliche Stabilität. Für Klubs mit großen Anhängerschaften wie den Hamburger SV oder Schalke 04 bedeute ein Verbleib in der zweiten Liga geringere Reichweite – und somit geringeren Medienwert. Andererseits könnten auch kleinere Klubs durch verlässliche Perspektiven gestärkt werden.
Ob sich das amerikanische Modell – ohne Abstieg, dafür mit maximaler Kommerzialisierung – auf Europa übertragen lasse, sei offen. Enßlin äußerte Verständnis für jene Fans, die sich dem Gedanken an ein reines Entertainment-Produkt verweigerten. Der Spagat zwischen Tradition und Innovation bleibe eine der zentralen Herausforderungen der kommenden Jahre.