Capital Beat TV

 
 

Was wäre, wenn Zuckerberg Instagram und WhatsApp nie gekauft hätte?

Mittwoch, 30. April 2025
Fatih Yildirim

Die Tech-Welt des Jahres 2012 wirkt aus heutiger Sicht fast schon kindlich-naiv. Damals zahlte Mark Zuckerberg eine Milliarde US-Dollar für eine App, die im Wesentlichen dafür bekannt war, Fotos mit Retro-Filtern zu versehen – Instagram. Zwei Jahre später folgten unglaubliche 19 Milliarden für WhatsApp, einen werbefreien Messenger ohne echtes Geschäftsmodell und mit nur begrenzter Verbreitung in den USA. Viele Beobachter konnten es kaum fassen. Hatte sich Facebook übernommen? Oder erkannte Zuckerberg etwas, das andere nicht sahen?

Heute wissen wir: Es war beides. Mit dem Kauf von Instagram und WhatsApp legte Meta (damals noch Facebook) den Grundstein für seine Dominanz im digitalen Alltag. Diese Plattformen wurden zu Eckpfeilern globaler Kommunikation – während zahlreiche Wettbewerber im Schatten dieser Deals verkümmerten oder gar nie das Licht der Welt erblickten. Die Übernahmen veränderten nicht nur die Plattformlandschaft, sondern auch die Medienwelt, besonders in Europa und Deutschland.

Die aktuell laufende Kartellrechtsklage gegen Meta in den USA, die in Europa noch zu wenig Beachtung finden, beleuchtet genau diesen Wendepunkt in der Tech-Geschichte. Im Kern steht die Frage: Hat Facebook durch diese Übernahmen junge Startups gerettet – oder kaltblütig potenzielle Konkurrenz ausgeschaltet? Die Antwort liegt wohl irgendwo dazwischen. Denn wer sich an die Stimmung von 2012 erinnert, weiß: Instagram war ein verspieltes, kreatives Tool – WhatsApp ein Geheimtipp unter Vielreisenden und Austauschschülern. Und Facebook selbst? Eben erst an die Börse gegangen, auf der verzweifelten Suche nach einem Zugang zur mobilen Welt.

Doch was, wenn die Deals nie zustande gekommen wären?

Jack Dorsey, Mitgründer von Twitter, war ebenfalls an Instagram interessiert. Hätte Twitter den Zuschlag erhalten, wäre die Plattform heute womöglich ein multimediales Netzwerk, das über 280 Zeichen hinaus denkt. Ein Ort, an dem nicht nur Debatten toben, sondern visuelle Kultur geschaffen wird. WhatsApp hingegen stand auf Googles Wunschliste. In einem alternativen Szenario wäre es vielleicht zum Herzstück eines echten Google-Kommunikationsnetzwerks geworden. Und wer weiß: Vielleicht hätte das sogar Apple dazu gezwungen, iMessage endlich für Android zu öffnen – ein Schritt, der bis heute verweigert wird.

Und wie hätte sich all das auf Deutschland ausgewirkt?

Die deutsche Medien- und Technologielandschaft tat sich lange schwer mit dem digitalen Wandel. In einer Welt ohne Meta-Monopol hätten sich womöglich echte Alternativen entwickelt – lokal verankert, europäisch gedacht. Vielleicht hätte die Telekom mit eigenen Diensten ernsthaft konkurrieren können. Vielleicht hätten Plattformen wie Threema oder eine europäische Signal-Variante den Datenschutz zum echten USP gemacht. Die Bedingungen dafür wären besser gewesen: weniger Marktdruck, mehr Sichtbarkeit, mehr Vertrauen.

Und auch die deutschen Medienhäuser hätten profitieren können. Die Werbemilliarden, die heute bei Meta landen, hätten sich auf mehrere Anbieter verteilt. Unabhängige Verlagshäuser, öffentlich-rechtliche Sender oder journalistische Startups hätten digital neu aufblühen können – jenseits von Clickbait und SEO-Spielchen. Die algorithmische Macht von Instagram hätte dezentral wirken können: als Chance für Kulturförderung, für Vielfalt, für Nischen.

Natürlich bleibt das alles Spekulation. Die digitale Welt folgt keiner klaren Logik, sie ist chaotisch, unvorhersehbar, oft ungerecht. Startups scheitern, Plattformen verschwinden, Geschäftsmodelle scheinen im Rückblick genial, obwohl sie zur Zeit ihrer Entstehung kaum jemand verstand. Doch genau deshalb lohnt sich das Gedankenexperiment. Es zeigt: Die Dominanz von Meta war keine unausweichliche Entwicklung. Sie war das Ergebnis politischer, wirtschaftlicher und strategischer Entscheidungen – getroffen von Menschen mit Macht.

Wenn Meta heute vor Gericht steht, dann geht es nicht nur um vergangene Übernahmen. Es geht um die Zukunft digitaler Vielfalt. Um die Frage, wie viel Konzentration wir akzeptieren – und wie viel Innovation wir dadurch verlieren.

Denn vielleicht, nur vielleicht, gäbe es in einem anderen Universum ein europäisches Instagram. Einen sicheren Messenger, der nicht zur Datenkrake wurde. Und eine deutsche Medienlandschaft, die ihre Reichweite nicht an den Algorithmus eines US-Konzerns verloren hätte.

Doch dieses Universum wurde 2012 verkauft. Für eine Milliarde Dollar. Und ein paar Filter, die Bilder formschön verändern.

Teilen

Wir verwenden Cookies, um dir das bestmögliche Nutzererlebnis zu bieten. Darüber hinaus nutzen wir Google Analytics, um die Nutzung unserer Website zu analysieren und zu verbessern. Deine Daten werden dabei anonymisiert verarbeitet. Du kannst der Verwendung von Google Analytics jederzeit zustimmen oder sie ablehnen. Weitere Informationen findest du in unserer Datenschutzerklärung.