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Die sich wandelnde Fernsehlandschaft in den USA – und was sie für Deutschland und Europa bedeutet

Dienstag, 15. April 2025
Egon Huschitt

Die Fernsehlandschaft in den USA befindet sich in einem tiefgreifenden Wandel. Klassische Kabel- und Satellitenanbieter verlieren rasant an Bedeutung, während Streaming-Dienste und internetbasierte TV-Angebote auf dem Vormarsch sind. Dieser Trend, getrieben durch veränderte Nutzergewohnheiten, technologische Innovationen und Kostendruck, hat das Potenzial, auch die Märkte in Deutschland und Europa grundlegend zu verändern.

Von Kabel und Satellit zum Streaming: Die Entwicklung in den USA

Kabel- und Satellitenfernsehen verlieren an Boden. Noch vor wenigen Jahren dominierten Anbieter wie Spectrum von Charter Communications und DirecTV den US-Markt mit klassischen Kabel- und Satellitenpaketen. Doch seit 2010 ist die Zahl der Kabelabonnenten um mehr als 35 Prozent gesunken. Heute zahlt nur noch etwa die Hälfte der US-Haushalte für ein klassisches Pay-TV-Angebot – Tendenz weiter fallend.

Streaming ist die neue Norm und die bisherigen Platzhirsche wandeln sich. Anbieter wie Spectrum setzen inzwischen auf Streaming-Boxen wie Xumo, die das klassische Kabelnetz ablösen. Neue Kunden erhalten standardmäßig internetbasierte Geräte, die sowohl lineares Fernsehen als auch Apps wie Netflix und Hulu integrieren. DirecTV hat im April 2025 seine Markenstrategie vereinheitlicht und bietet nun alle Dienste – ob Satellit oder Streaming – unter einem Namen “DirecTV” an, wobei der Fokus klar auf internetbasierten Angeboten liegt.

Der Hauptgrund für diesen Wandel sind die deutlich geringeren Betriebskosten: Während Satelliteninfrastruktur und Set-Top-Boxen hohe Investitionen erfordern, können Streaming-Angebote auf bestehende Internetleitungen und Cloud-Technologien zurückgreifen. Laut Leichtman Research lassen sich so bis zu 60 Prozent der Speicherkosten einsparen. Für viele Verbraucher bleiben alte Probleme bestehen: Zusatzgebühren, steigende Preise und eingeschränkte Zuverlässigkeit in ländlichen Regionen, wo schnelles Internet fehlt.

Junge Zielgruppen treiben den Wandel

Vor allem jüngere Generationen kehren dem klassischen Fernsehen den Rücken. Laut einer aktuellen Deloitte-Studie planen 23 Prozent der Gen Z- und 18 Prozent der Millennial-Kabelkunden, ihr Abo in den nächsten 12 Monaten zu kündigen. Die durchschnittlichen Kosten für Kabel- oder Satellitenfernsehen liegen in den USA bei 125 Dollar pro Monat, während vier Streaming-Dienste zusammen im Schnitt nur 69 US-Dollar kosten.

Die Umstellung auf Streaming wird durch technische Innovationen wie die Verbreitung von Smart TVs, leistungsfähigen Breitbandanschlüssen und Cloud-Diensten ermöglicht. Anbieter wie DirecTV und Dish Network integrieren Streaming-Apps direkt in ihre Receiver, sodass Nutzer flexibel zwischen linearem TV und On-Demand-Inhalten wechseln können. In ländlichen Regionen bleibt Satellitenfernsehen jedoch relevant, da dort oft kein schnelles Internet verfügbar ist.

Gesellschaftliche Auswirkungen

Während Streaming mehr Flexibilität und Individualisierung ermöglicht, droht eine digitale Spaltung zwischen urbanen und ländlichen Regionen. Zudem verändert sich die Rolle des Fernsehens als Leitmedium – die Vielfalt an Plattformen erschwert die Orientierung, und die Fragmentierung des Marktes stellt neue Anforderungen an Regulierung und Medienkompetenz.

Deutschland war in den 1980er Jahren Vorreiter beim Kabelnetzausbau, hinkt aber beim Glasfaserausbau hinterher. Während Streaming-Angebote wachsen, bleibt das klassische Fernsehen – vor allem über Kabel und Satellit – für viele Haushalte relevant. Die Nutzung von Smart TVs und internetbasierten Diensten nimmt jedoch auch hier stetig zu.

In Frankreich ist Pay-TV günstiger und stärker mit Internetpaketen gebündelt, was den Rückgang des linearen Fernsehens verlangsamt. In Großbritannien ist der Anteil des linearen Fernsehens bereits stärker gesunken, während Streaming und von Broadcastern angebotenes Video on Demand zulegen.

In den USA ist der Markt für kostenlose, werbefinanzierte Streaming-Angebote wie Fast-Channels bereits ausgereift, während Europa hier noch aufholt. „Deutschland wächst jetzt sehr schnell von einer sehr niedrigen Basis aus. Das Vereinigte Königreich wächst sehr schnell, Spanien wächst sehr schnell“, sagt der New Yorker Medienanalyst Evan Shapiro dem Fachmagazin “Streaming Media”. Europäische Anbieter setzen zunehmend auf hybride Modelle, die Satelliten- und Streamingdienste kombinieren, um flexibel auf die Bedürfnisse der Nutzer zu reagieren.

US-Konzerne wie Comcast, Disney und Discovery haben durch Übernahmen wie z.B. Sky, 21st Century Fox ihre Präsenz auf dem europäischen Markt massiv ausgebaut. In Großbritannien und Spanien liegt der Marktanteil ausländischer Anbieter bei über 20 Prozent, in Polen sogar bei 34 Prozent. Dennoch bleibt der europäische Markt fragmentiert, mit vielen nationalen Sendern und einer starken Rolle öffentlich-rechtlicher Anbieter.

Vertrauen in klassische Medien bleibt hoch

Trotz des Booms digitaler Angebote vertrauen 66 Prozent der Europäer dem linearen Fernsehen, während soziale Medien deutlich schlechter abschneiden. Die Rolle des Fernsehens als Absender, Informationsquelle und kultureller Anker bleibt damit auch im digitalen Zeitalter zentral.

Der Wandel in den USA ist ein Vorbote für Europa. Mit dem weiteren Ausbau von Glasfaser und 5G werden auch hier Streaming-Angebote an Bedeutung gewinnen. Gleichzeitig bleibt die Herausforderung, Medienvielfalt, Zugang und gesellschaftlichen Zusammenhalt zu sichern. Die Erfahrungen aus den USA zeigen, dass technischer Fortschritt allein nicht alle Probleme löst – gesellschaftliche und regulatorische Antworten sind gefragt.

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