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SPD-Bundestagsabgeordneter Christos Pantazis: Warum wir pflegende Angehörige nicht alleine lassen dürfen

Freitag, 7. Februar 2025
Interview von Fatih Yildirim

Seit 2021 vertritt der Sozialdemokrat Christos Pantazis den Wahlkreis Braunschweig im Bundestag und setzt sich insbesondere für eine gerechtere Gesundheits- und Pflegepolitik ein. Der Bundestagsabgeordnete setzt sich ein für ein solidarisches Pflegesystem, das pflegende Angehörige besser unterstützt und eine hochwertige Versorgung für alle gewährleistet.

Zur Person: Der Bundestagsabgeordnete Dr. Christos Pantazis wurde am 9. Oktober 1975 als Sohn von Erasmia und Nikolaos Pantazis geboren. Er ist verheiratet und Vater von Zwillingen. Nach seinem Medizinstudium spezialisierte sich Dr. Pantazis auf Neurochirurgie und ist seit 2004 als Arzt am Städtischen Klinikum Braunschweig tätig. Parallel dazu engagiert er sich seit 1998 in der SPD. Seine politische Laufbahn begann er 2013 als direkt gewählter Abgeordneter im Niedersächsischen Landtag für den Wahlkreis Braunschweig-Nord, dem er bis 2021 angehörte. Seit 2015 ist er Vorsitzender der SPD Braunschweig, seit 2019 zudem stellvertretender Vorsitzender des SPD-Bezirks Braunschweig. In der SPD-Bundestagsfraktion ist er seitdem stellvertretender gesundheitspolitischer Sprecher. Seine Arbeitsschwerpunkte liegen insbesondere in der Gesundheits- und Sozialpolitik.

Pflegende Angehörige leisten einen unverzichtbaren Beitrag zur Gesellschaft und entlasten unser Gesundheitssystem erheblich. Welche konkreten Maßnahmen planen Sie, um ihre finanzielle Situation zu verbessern und sicherzustellen, dass sie nicht in Altersarmut abrutschen?

Christos Pantazis: Wir setzen uns für eine hochwertige und bezahlbare Gesundheits- und Pflegeversorgung für alle ein – unabhängig von regionalen oder wirtschaftlichen Unterschieden. Pflege darf kein Luxus sein. Mit der fortschreitenden Digitalisierung im Gesundheitswesen und zusätzlicher Unterstützung für Pflegebedürftige wollen wir die Versorgung weiter verbessern. Um finanzielle Überlastung zu vermeiden, müssen hohe Eigenanteile, insbesondere in der Langzeitpflege, auf maximal 1.000 Euro begrenzt werden. Gleichzeitig muss eine verlässliche und qualitativ hochwertige Betreuung sowohl zu Hause als auch in Pflegeheimen sichergestellt sein. Dies kann nur durch ein solidarisch finanziertes Pflegesystem gelingen, das die Trennung zwischen privater und gesetzlicher Pflegeversicherung überwindet.

Ein zentraler Baustein zur Unterstützung pflegender Angehöriger ist der kostenfreie Zugang zu zum Verbrauch bestimmter Pflegehilfsmitteln, da diese den Pflegealltag erleichtern und gesundheitliche Risiken für Pflegende und Pflegebedürftige reduzieren. Welche Schritte sollten aus Ihrer Sicht unternommen werden, um sicherzustellen, dass diese Hilfsmittel unbürokratisch und flächendeckend bereitgestellt werden?

Christos Pantazis: Eine gute und bedarfsgerechte Hilfsmittelversorgung ist für die Betroffenen eine Grundvoraussetzung für ein selbstbestimmtes Leben und für pflegende Angehörige oft eine wichtige Stütze und große Entlastung. Notwendige Hilfsmittel werden von Pflegekassen auf Antrag erstattet. Oft erfolgen Antrag, Bewilligung, Abrechnung und Zahlung noch händisch über postalischen Schriftverkehr. Wir setzen uns dafür ein, dass diese Versorgung mit Hilfe digitaler Lösungen so effizient und unbürokratisch wie möglich gestaltet wird. So spart es z.B. viel Zeit, wenn man Erstattungsleistungen direkt über ein Online-Portal abwickeln kann, ohne die Anträge ausdrucken, unterschreiben und zur Post oder persönlich vorbeibringen zu müssen. Wir haben in der Vergangenheit bereits für eine Vereinfachung des Antragsverfahrens in der Hilfsmittelversorgung gesorgt: So entfällt bereits heute die zusätzliche fachliche Prüfung der Notwendigkeit durch die Pflege- und Krankenkassen, wenn Pflegefachpersonen im Rahmen ihrer Leistungserbringung eine Empfehlung zur Hilfsmittelversorgung abgeben. Sie können durch ihre große Nähe zu den Pflegebedürftigen, die häusliche Situation sehr gut einschätzen. Diesen Weg wollen wir weiter gehen und Pflegefachpersonen mehr Verantwortung bei der Verordnung von Hilfsmitteln übertragen.

Bürokratische Hürden erschweren vielen pflegenden Angehörigen den Zugang zu Unterstützungsleistungen. Wie wollen Sie das Antragsverfahren für Pflegegeld, Entlastungsangebote und Pflegehilfsmittel digitalisieren und vereinfachen, um Betroffene schneller und effizienter zu entlasten?

Christos Pantazis: Das Gesundheitswesen hat bereits große Fortschritte in der Digitalisierung gemacht, und wir setzen diesen Weg konsequent fort. Gezielte digitale Lösungen und Beratungsangebote sollen die Pflege weiter unterstützen und entlasten. Ein besonderer Fokus liegt auf der Förderung von Prävention, um Pflegebedürftigkeit frühzeitig vorzubeugen. Zudem wollen wir ein verlässliches Monitoring etablieren, das die Versorgung verbessert und individuelle Bedarfe rechtzeitig erkennt. Eine stärkere Vernetzung bestehender Angebote soll dazu beitragen, dass Pflegebedürftige und ihre Angehörigen schneller und einfacher auf die für sie relevanten Unterstützungsleistungen zugreifen können.

Pflegebedürftige werden oft von Angehörigen betreut, die keinerlei Schulung oder Anleitung erhalten. Halten Sie verpflichtende, aber kostenlose Schulungen für pflegende Angehörige für sinnvoll, um sowohl die Pflegequalität als auch die Gesundheit der Pflegenden zu schützen?

Christos Pantazis: Dass sich Familienangehörige um die Pflege ihrer Liebsten kümmern, ist keine Selbstverständlichkeitund geht oft mit finanziellen und persönlichen Einbußen einher. Eine verpflichtende Schulung halte ich nicht für notwendig, jedoch sollten entsprechende Angebote ausgebaut werden, um pflegende Angehörige gezielt zu unterstützen und ihnen wertvolle Hinweise für den Pflegealltag zu geben. Zudem setzen wir uns für die Einführung einer Familienpflegezeit und eines Familienpflegegeldes nach dem Vorbild des Elterngeldes ein, um die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf zu verbessern. Gleichzeitig müssen Beratungsangebote, Anlaufstellen und Vernetzungsmöglichkeiten für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen weiter ausgebaut werden, damit sie schneller und unkomplizierter die Unterstützung erhalten, die sie benötigen.

Die Zahl der Pflegebedürftigen wird in den kommenden Jahren weiter steigen, während der Fachkräftemangel in der Pflege zunimmt. Welche politischen Konzepte haben Sie, um pflegende Angehörige langfristig zu entlasten und die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf nachhaltig zu verbessern?

Christos Pantazis: In den vergangenen Jahren haben wir bereits wichtige Verbesserungen in der Pflege erreicht. So wurden das Pflegegeld und die Pflegesachleistungen zum Januar 2024 um 5 % erhöht, eine weitere Anhebung um 4,5 Prozent ist 2025, und auch für 2028 sind weitere Anpassungen vorgesehen. Zudem wurde das Pflegeunterstützungsgeld eingeführt, um pflegende Angehörige finanziell zu entlasten. Doch wir wollen noch mehr erreichen – insbesondere eine bessere Unterstützung für pflegende Angehörige, die häufig Frauen sind. Dazu gehört die Einführung einer Familienpflegezeit und eines Familienpflegegeldes nach dem Vorbild des Elterngeldes, um Pflege und Beruf besser vereinbaren zu können. Gleichzeitig muss die Beratung sowie die Vernetzung von Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen weiter ausgebaut werden, damit sie leichter auf notwendige Hilfsangebote zugreifen können.

Welche Rolle spielt das Thema Pflege in Ihrem Wahlkampf, in Ihrer Heimat und für Sie persönlich?

Christos Pantazis: In meiner Familie gibt es einen Pflegefall, sodass ich täglich erlebe, wie essenziell Pflege sowie die Unterstützung von Pflegekräften und pflegenden Angehörigen sind. Ohne ihren unermüdlichen Einsatz wäre die Versorgung vieler Menschen, insbesondere älterer Personen, nicht gewährleistet. Deshalb ist das Thema Pflege für mich persönlich von großer Bedeutung. In den kommenden Jahren müssen wir sicherstellen, dass die finanzielle Belastung für Pflegende und
Pflegebedürftige nicht weiter steigt. Eine Deckelung der Kosten ist dabei unerlässlich. Gleichzeitig müssen wir gezielt Chancen nutzen, um dem wachsenden Fachkräftemangel in der Pflege entgegenzuwirken.

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