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Pflegebevollmächtigte Claudia Moll: "Hilfsmittelpauschale funktioniert gut"

Dienstag, 18. Februar 2025
Fatih Yildirim

Pflegende Angehörige leisten einen unschätzbaren Beitrag für unsere Gesellschaft – doch Bürokratie und finanzielle Belastungen stellen sie oft vor große Herausforderungen. Claudia Moll, die Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung, spricht im Interview mit Capital Beat über Verbesserungen für pflegende Angehörige, die Rolle der Digitalisierung in der Pflege und die Notwendigkeit flexiblerer Unterstützungsleistungen. Besonders bei der Hilfsmittelpauschale sieht sie bereits Fortschritte.

Zur Person: Als examinierte Altenpflegerin setzt sich die SPD-Bundestagsabgeordnete Claudia Moll, Jahrgang 1968, für eine Pflege ein, die Pflegekräfte wertschätzt, Angehörige entlastet und zu Pflegende respektiert. Seit 2017 ist sie Mitglied des Deutschen Bundestages (Direktmandat des Bundestagswahlkreis Aachen II). 2022 ist sie auf Vorschlag von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach zur Bevollmächtigten der Bundesregierung für Pflege ernannt worden.

Pflegende Angehörige leisten einen unverzichtbaren Beitrag zur Gesellschaft und entlasten unser Gesundheitssystem erheblich. Welche konkreten Maßnahmen planen Sie, um ihre finanzielle Situation zu verbessern und sicherzustellen, dass sie nicht in Altersarmut abrutschen?

Claudia Moll: Die Arbeit der pflegenden Angehörigen in den Familien kann nicht hoch genug geschätzt werden. Diese Arbeit leisten überwiegend Frauen. Mit der Übernahme von Rentenbeiträgen für pflegende Angehörige erbringt die Pflegeversicherung bereits einen wichtigen Beitrag zur Verhinderung von Altersarmut. Über den Vorschlag, für die Pflege zu Hause auch eine Entgeltersatzleistung zu zahlen, müssen wir nach der Wahl weitersprechen. Das hat Vor- und Nachteile. Hier kam uns das vorzeitige Ende der Legislatur dazwischen. Zentraler Baustein in der häuslichen Pflege ist auch das Pflegegeld. Wir haben es in 2024 und in 2025 endlich erhöht und auch dynamisiert. Gerade bei den Leistungen der häuslichen Pflege müssen wir in Zukunft unbürokratischer und flexibler werden, sonst werden wir die Herausforderungen der nächsten Jahre schon nicht schaffen. Mit dem gemeinsamen Jahresbetrag haben wir wichtige Entlastungsleistungen flexibilisiert. Den Weg hin zu noch flexibleren Leistungen müssen wir weiter gehen. Auch ein Recht auf mobiles Arbeiten kann pflegende Angehörige entlasten. Denn wenn Pflege und Beruf zusammen gut funktionieren, hilft das auch gegen Altersarmut.

Ein zentraler Baustein zur Unterstützung pflegender Angehöriger ist der kostenfreie Zugang zu zum Verbrauch bestimmter Pflegehilfsmitteln, da diese den Pflegealltag erleichtern und gesundheitliche Risiken für Pflegende und Pflegebedürftige reduzieren. Welche Schritte sollten aus Ihrer Sicht unternommen werden, um sicherzustellen, dass diese Hilfsmittel unbürokratisch und flächendeckend bereitgestellt werden?

Claudia Moll: Wir haben mit der Hilfsmittelpauschale bereits ein sehr unbürokratisches Verfahren, das insgesamt gut funktioniert und auch genutzt wird. Mich erreichen hier aber vermehrt Hinweise von pflegebedürftigen Menschen und ihren Angehörigen, die besonders die Pflegeboxen im Abo kritisch sehen. Diese gehen am tatsächlichen Bedarf der Menschen manchmal vorbei. Um dem entgegen zu wirken, haben pflegebedürftige Menschen und ihre Angehörigen die Möglichkeit, die Hilfsmittel personenbezogen selber einzukaufen. Dies zieht jedoch einen bürokratischen Mehraufwand hinter sich her, da die Rechnungen bei der Pflegekasse eingereicht werden müssen. Bedarfsgenau und unbürokratisch müssen daher in Einklang gebracht werden, beispielsweise über eine automatisierte und digitale Einreichung der Belege.

Bürokratische Hürden erschweren vielen pflegenden Angehörigen den Zugang zu Unterstützungsleistungen. Wie wollen Sie das Antragsverfahren für Pflegegeld, Entlastungsangebote und Pflegehilfsmittel digitalisieren und vereinfachen, um Betroffene schneller und effizienter zu entlasten?

Claudia Moll: Ein wichtiger Schritt ist die verbindliche Anbindung der Pflege an die Telematik-Infrastruktur. Das darf jedoch nicht nur für die professionelle Pflege gelten. Auch für die häusliche Pflege eröffnet die Digitalisierung neue Möglichkeiten – sei es beispielsweise bei der Buchung freier Plätze in der Kurzzeit- oder der Tagespflege. Was mit Terminvergaben im Internet bei Arztterminen funktioniert, sollte auch bei Pflegeeinrichtungen klappen. Auch mit dem Digitale-Versorgung- und Pflege-Modernisierungs-Gesetz haben die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen erstmalig einen Leistungsanspruch auf Versorgung mit digitalen Pflegeanwendungen und ergänzenden Unterstützungsleistungen, um den pflegerischen Alltag besser zu bewältigen und zu organisieren. Hier besteht viel Potential, das nun auch genutzt werden muss. Die gesetzlichen Grundlagen sind geschaffen.

Pflegebedürftige werden oft von Angehörigen betreut, die keinerlei Schulung oder Anleitung erhalten. Halten Sie verpflichtende, aber kostenlose Schulungen für pflegende Angehörige für sinnvoll, um sowohl die Pflegequalität als auch die Gesundheit der Pflegenden zu schützen?

Claudia Moll: 4,2 Millionen Menschen mit Pflegebedarf leben zu Hause und wollen das auch weiterhin. Und hinter fast jedem von ihnen stehen ein oder mehrere pflegende Angehörige, die dies ermöglichen wollen. Damit das gelingt, benötigen sie und pflegende Angehörige Unterstützung, Anerkennung und Entlastung von allen Seiten. Die pflegenden Angehörigen haben ganz unterschiedliche Hintergründe und die wenigsten werden wahrscheinlich bereits Erfahrungen im Pflegebereich haben. Umso wichtiger finde ich es, dass es entsprechende Angebote zur Anleitung gibt. Mit einer „Verpflichtung“ tue ich mich aber etwas schwer. Wir wollen niemanden verschrecken, indem wir noch mehr „Hürden“ für den Pflegealltag einbauen. Jedoch sollte es genügend Angebote als eine Art Präventionsmaßnahmen geben, die freiwillig von den pflegenden Angehörigen am besten gemeinsam mit ihren zu pflegenden Verwandten in Anspruch genommen werden können. Eines meiner Ziele ist deshalb, die Pflegeberatung weiterzuentwickeln, damit pflegende Angehörige die Informationen und die Unterstützung finden, die sie brauchen. Ganz wichtig ist auch der Austausch der pflegenden Angehörigen untereinander. Gerade die Weitergabe von Erfahrung und Wissen durch bereits in der Pflege erfahrene Angehörige kann Fallstricke vermeiden und eine große Hilfe sein. Wir brauchen einfach mehr Solidarität, mehr Miteinander, mehr Gemeinschaft, in der Menschen füreinander sorgen und sich gegenseitig unterstützen.

Die Zahl der Pflegebedürftigen wird in den kommenden Jahren weiter steigen, während der Fachkräftemangel in der Pflege zunimmt. Welche politischen Konzepte haben Sie, um pflegende Angehörige langfristig zu entlasten und die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf nachhaltig zu verbessern?

Claudia Moll: Ich habe immer wieder darauf hingewiesen, dass wir nie wieder so viele Pflegekräfte haben werden wie heute, gleichzeitig aber die Zahl der pflegebedürftigen Menschen wächst. Neben der Stärkung der häuslichen Pflege durch pflegende Angehörige werden auch die Weiterentwicklung der Quartierspflege vor Ort, sowie die Stärkung der professionellen Pflege weiterhin wichtige Themen bleiben. Vor allem die pflegenden Angehörigen müssen wir entlasten, wo immer es geht. Zum Beispiel durch die Nutzung von Homeoffice, da wo es möglich ist. Wir brauchen aber auch mehr Flexibilität bei den Leistungen der Pflegeversicherung. Pflegebedürftige Menschen und ihre Angehörigen sollten sich die Leistungen, die sie brauchen, passgenau auswählen können. Leistungen für pflegende Angehörige zur eigenen Gesundheitsförderung und Prävention gehören ebenso dazu.

Welche Rolle spielt das Thema Pflege in Ihrem Wahlkampf, in Ihrer Heimat und für Sie persönlich?

Claudia Moll: Pflege ist natürlich mein ganz persönliches Herzensthema. Das wissen auch alle, die mich kennen. Denn durch meine Erfahrung als Altenpflegerin weiß ich ganz genau, wo hier der Schuh drückt. Für viele wird Pflege oft erst wichtig, wenn es sie direkt betrifft. Schon allein durch den demografischen Wandel sollte Pflege aber für jeden relevant sein. Ich sage immer: besprecht in der Familie wie und wo ihr im Fall der Fälle gepflegt werden möchtet. Aus meinen Gesprächen mit Betroffenen weiß ich, dass die hohen Eigenanteile in der stationären Pflege die Menschen sehr beschäftigen. Klar ist aber auch, dass wir als Gesellschaft näher zusammenrücken müssen. Ehrenamtliches Engagement und Nachbarschaftshilfe werden immer wichtiger und dieses Potential müssen wir noch besser nutzen.

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