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Gastbeitrag

Ohne High-Speed kein High-Tech: Warum alte Kupferleitungen KI in Europa bremsen
Freitag, 31. Januar 2025
Gastbeitrag von Philipp Müller

Die Vereinigten Staaten haben sich mit ihrer KI-Initiative „Stargate“ ehrgeizige Ziele gesetzt. Unter der Führung von Präsident Donald Trump sollen in den nächsten Jahren 500 Milliarden Dollar in Künstliche Intelligenz (KI) und ihre Infrastruktur fließen. Diese Ankündigung ist weit mehr als nur eine Investition in Technologie. Sie ist ein klares Signal an die Welt, insbesondere an Europa: Wir wollen auch in Zukunft die Nummer Eins sein. Gleichzeitig wird deutlich: Wer in der Ära der digitalen Transformation nicht mithält, wird zurückfallen – wirtschaftlich, geopolitisch und gesellschaftlich.

Zur Person: Philipp Müller ist Geschäftsführer von ANGA Der Breitbandverband e.V. und vertritt die Interessen von 200 Unternehmen der deutschen Breitbandbranche, die über 20 Millionen Haushalte mit Internet und Fernsehen versorgen. Dazu zählen Unternehmen wie Vodafone, Tele Columbus (PYUR), EWE TEL, NetCologne, M-net, wilhelm.tel, willy.tel und DNS:NET. Zuvor leitete Philipp Müller den Europa-Think-Tank der Vodafone Stiftung. Als angesehener Politik- und Strategie-Experte setzt er von Berlin aus Impulse für die digitale Zukunft Deutschlands und Europas und gilt als kompetenter Gesprächspartner für Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Medien.

Das kürzlich vorgestellte KI-Modell R1 des chinesischen Start-Ups Deepseek sorgt für Aufsehen. Es überzeugt ebenfalls unter anderem mit hoher Leistungsfähigkeit. Nur in Europa ist es beim Thema künstliche Intelligenz abseits von Lippenbekenntnissen leider erstaunlich still. Das liegt auch am Zustand unserer Infrastruktur.

KI braucht schnelle Netze

Die Voraussetzungen für erfolgreiche Entwicklung und Anwendung von KI-Modellen im Allgemeinen und Large Language Modellen wie ChatGPT im Besonderen sind klar – leistungsfähige Rechenzentren, schnelle Netze und eine umfassende digitale Infrastruktur. Ohne diese Grundlage bleibt jede Vision von technologischem Fortschritt eine Illusion, immerhin müssen riesige Datenmengen erfasst, gespeichert und verarbeitet werden. Dabei geht es nicht nur um Technologien, sondern auch um die grundlegenden Strukturen, die eine moderne Wissensgesellschaft stützen.

Schnelles Internet ist längst keine Luxusgüterfrage mehr, sondern eine Grundvoraussetzung für wirtschaftlichen Erfolg, soziale Gleichheit und globale Wettbewerbsfähigkeit. In Deutschland nutzen allerdings 24 Millionen Haushalte und damit knapp 50 Millionen Bürgerinnen und Bürger noch immer alte DSL-Kupferleitungen mit einer Bandbreite von 250Mbit/s. Dabei ist vielerorts zu vergleichbaren Preisen längst Highspeed-Infrastruktur mit Bandbreiten von 1000Mbit/s verfügbar. Die Umschaltung der alten DSL-Kupferdrähte auf moderne Highspeed-Netze gehört deshalb zu den Top-Prioritäten einer neuen Bundesregierung.

Amerikas Ansage ist Europas Chance: Von Bedenken- zu Hoffnungsträgern

Der Plan der USA beinhaltet jedoch auch eine Kehrseite. Präsident Trump hat zu Beginn seiner Amtszeit eine Reihe von Leitplanken für KI-Entwicklungen aufgehoben, die sein Vorgänger Joe Biden 2023 eingeführt hatte. Diese Vorgaben sollten sicherstellen, dass möglicherweise bedenkliche Ansätze einzelner KI-Programme streng überwacht werden, insbesondere in Hinblick auf nationale Sicherheit und Gesundheit. Trump hingegen sendet eine andere Botschaft: Weniger Regulierung, mehr Geschwindigkeit.

Während die Deregulierung der KI-Entwicklung kurzfristig Innovationssprünge ermöglichen könnte, birgt sie erhebliche Risiken. Ohne klare Kontrollmechanismen besteht die Gefahr, dass KI-Entwicklungen in unethische oder gefährliche Bahnen gelenkt werden. Und in China gibt es nur dann Einblicke, welche Daten tatsächlich erfasst werden, wenn es die kommunistische Partei zulässt.

Diese Schwäche des amerikanischen Ansatzes sowie die Unfreiheit Chinas ist eine Chance, die Europa für sich nutzen könnte: Als globaler Vorreiter in ethischer Technologieentwicklung könnte die EU Standards setzen, die langfristig Vertrauen und Sicherheit schaffen.

Die Ankündigung von „Stargate“ sollte in Europa nicht nur Besorgnis auslösen, sondern auch als Weckruf dienen. Die Schere zwischen den technologischen Supermächten USA und China und dem europäischen Kontinent droht immer größer zu werden. Deshalb muss Europa endlich in seine digitale Infrastruktur investieren.

Auch benötigt Europa einen gemeinsamen Masterplan für KI, der nationale Bemühungen bündelt und Synergien zwischen Ländern schafft. Dieser Plan muss ambitioniert und visionär sein, um global konkurrenzfähig zu bleiben. Und Europa muss lernen, mutiger zu investieren. Während die USA und China milliardenschwere Wetten auf Zukunftstechnologien eingehen, zeigt sich Europa oft zurückhaltend. Wir sind zu oft ein Volk der Bedenkenträger anstatt Hoffnungsträger. Innovation erfordert jedoch das Risiko des Scheiterns.

Indem Europa auf ethische KI-Entwicklung setzt, könnte es sich als vertrauenswürdige Alternative zu den USA und China positionieren. Dies könnte insbesondere in sensiblen Bereichen wie Medizin und Datenschutz zum entscheidenden Vorteil werden. Auch hier gilt: So gern und oft wir über Datenschutz reden, müssen wir das auch über Datennutzung tun.

Der Wettlauf um die Vorherrschaft in der KI hat begonnen, und die Einsätze sind hoch. Europa darf diesen Wettlauf nicht verschlafen.

Auf dem Spiel steht nicht nur die technologische Zukunft, sondern auch die Unabhängigkeit und Wettbewerbsfähigkeit des Kontinents.