Capital Beat TV

 
 

Stiftung Deutsche Kinemathek

Neue Direktorin der Stiftung Deutsche Kinemathek distanziert sich nach Capital Beat-Anfrage von Hass-Aufruf

Freitag, 16. Mai, 2025
Stefan Laurin

Neue Direktorin der Stiftung Deutsche Kinemathek distanziert sich nach Capital Beat-Anfrage von einem Aufruf gegen die Kurzfilmtage Oberhausen und ihren damaligen Leiter Lars Henrik Gass wegen dessen proisraelischer Haltung.

Am 1. Juni wird Heleen Gerritsen ihren Posten als künstlerische Direktorin der Stiftung Deutsche Kinemathek in Berlin antreten und damit die Chef-Bewahrerin deutschen Filmerbes. Noch 2023 unterstützte sie einen offenen Boykott-Aufruf gegen die Internationalen Kurzfilmtage und deren Leiter Lars Henrik Gass wegen dessen proisraelischer Haltung.

Kurz nachdem er im Oktober 2023 einen Aufruf von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zur Teilnahme an einer Solidaritätskundgebung für Israel nach den Terrorangriffen der Hamas auf Facebook geteilt hatte, geriet Lars Henrik Gass unter Druck, denn er kommentierte Steinmeiers Posting: „Eine halbe Million Menschen sind im März 2022 auf die Straße gegangen, um gegen Russlands Überfall auf die Ukraine zu protestieren. Das war wichtig. Bitte lasst uns jetzt ein mindestens genauso starkes Zeichen setzen. Zeigt der Welt, dass die Neuköllner Hamasfreunde und Judenhasser in der Minderheit sind. Kommt alle! Bitte!“ Die Erwähnung Neuköllns bezog sich auf vielfach dokumentierte Freudenfeiern in dem Berliner Bezirk nach den Hamas-Massakern.

Der damalige Leiter der Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen, dem weltweit wichtigsten und größten Kurzfilmfestival, wurde daraufhin nicht nur zur Zielscheibe von Israelfeinden in den sozialen Medien. Auch fast 2000 – zum Teil selbsternannte – Mitglieder der „International Film Community“ stellten sich gegen ihn, denn Gass hatte in ihren Augen dazu beigetragen, „jeden, der sich mit der palästinensischen Befreiung solidarisiert, auf repressive und gefährliche Weise zu dämonisieren.“ In einem Aufruf erklärten sie: „Wir, die Unterzeichnenden, werden nicht zulassen, dass unsere Arbeit mit einer solchen Position in Verbindung gebracht wird. Wir fordern die Mitarbeiter und Partner des Festivals auf, die Gefahr zu erkennen, die von den Aussagen ihres Direktors ausgeht, ihre Position zu revidieren und die entsprechenden Maßnahmen zu ergreifen, um in Zukunft eine verantwortungsvolle Leitung sicherzustellen.“

Im Kern wurde die Absetzung von Gass und ein Boykott des Festivals gefordert. Der Aufruf blieb nicht ohne Wirkung: Tatsächlich wurden viele Filme zurückgezogen und Gass musste um sein Festival kämpfen. Zu den Unterzeichnerinnen gehörte auch Heleen Gerritsen. Sie wird am 1. Juni die künstlerische Leitung der Stiftung Deutsche Kinemathek übernehmen. Der Stiftungsrat hatte sie im Oktober vergangenen Jahres zur Nachfolgerin von Rainer Rother bestimmt. Capital Beat wollte von den Mitgliedern des Stiftungsrates wissen, ob sie von der Unterschrift Gerritsens wussten und jemanden als künstlerische Leiterin der Stiftung für geeignet halten, der einen Boykott des weltweit wichtigsten Kurzfilmfestivals und die Abberufung des Leiters der Kurzfilmtage gefordert hat, weil er sich klar gegen Antisemitismus positionierte.

In ihrer Antwort teilte die Stiftung mit, dass die Unterschrift unter dem offenen Brief durch Heleen Gerritsen den Mitgliedern des Stiftungsrats nicht bekannt war: „Frau Gerritsen hat sich in einer umfassenden Stellungnahme gegenüber dem Stiftungsrat klar von dem offenen Brief distanziert. Sie hat dem Stiftungsrat gegenüber ihr Bedauern ausgedrückt und würde rückblickend diese Unterschrift nicht mehr leisten.“

Anlass ihrer Unterschrift sei die stigmatisierende Aussage „Neuköllner Hamas-Freunde und Judenhasser“ in dem Post von Lars Henrik Gass auf der offiziellen Facebook-Seite der Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen gewesen. Das muss man nicht nachvollziehen können, denn nicht Gass hat die Hamas-Jubler stigmatisiert, das haben sie mit ihrer Unterstützung der Judenmörder selbst getan.

Der Stiftungsrat hätte zudem wissen können, dass Gerritsen sich gegen Gass gestellt hatte, denn bereits im Mai 2024 – Gerritsen war damals noch Leiterin des jährlich im Rhein-Main-Gebiet stattfindenden GoEast-Festivals – hatte sich die FDP-Fraktion im hessischen Landtag des Themas angenommen. Sie fragte bei der Landesregierung nach, wie sie zur Unterschrift von Gerritsen steht, ihr Vorgehen beurteilt und ob sie das Gespräch mit der Festivalleiterin gesucht habe. Die hessische Landesregierung stellte damals in ihrer Antwort auf die FDP-Anfrage klar, dass „der Boykottaufruf sachlich unbegründet ist und sich auch nicht als geeignetes Instrument einer inhaltlichen Auseinandersetzung eignet.“ Die Festivalleiterin habe bestätigt, dass sie einen offenen Brief unterzeichnet habe, dies aber als Privatperson getan habe – ohne Kenntnis ihrer Direktion. „Die Ergänzung ‚Head of Festival goEast‘ habe sie dabei vorgenommen, um eine eindeutige Identifizierung ihrer Person zu ermöglichen.“ Und verwies auf Maßnahmen gegen Antisemitismus, die sie nach dem Documenta-Skandal 2022 ergriffen habe. Sascha Lobo hatte das Kunstfestival wegen der vielen Vorfälle im Spiegel damals in „Antisemita“ umbenannt.

Konsequenzen ergriff die damalige Landesregierung nicht, und Gerritsen distanzierte sich auch nicht von ihrer Unterschrift. Das tat sie erst nach Anfrage von Capital Beat. Dass Gass mit seiner Kritik nicht „stigmatisierte“, sondern benannte, scheint Gerritsen bis heute nicht einsehen zu wollen.

Foto: Raimond Spekking Lizenz: CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons)

Teilen

Wir verwenden Cookies, um dir das bestmögliche Nutzererlebnis zu bieten. Darüber hinaus nutzen wir Google Analytics, um die Nutzung unserer Website zu analysieren und zu verbessern. Deine Daten werden dabei anonymisiert verarbeitet. Du kannst der Verwendung von Google Analytics jederzeit zustimmen oder sie ablehnen. Weitere Informationen findest du in unserer Datenschutzerklärung.