CDU im Krisenmodus: Linnemanns Rückzieher sorgt auch in seiner Heimat für Beben
Was steckt hinter dem überraschenden Rückzug von Carsten Linnemann? Das Hauptstadtmagazin „Capital Beat“ hat in die beiden Tageszeitungen geschaut, die am längsten die Karriere von Carsten Linnemann begleiten. Das “Westfälische Volksblatt”, ein Kopfblatt vom “Westfalen-Blatt”, und die “Neue Westfälische” sind mit eigenen Redaktionen in Linnemanns Heimatstadt Paderborn vertreten. Und mit Ulrich Windolph und Thomas Seim kommentieren natürlich die Chefredakteure den Rückzug: Merz kommt dabei nicht gut weg.

In einem politischen Schritt, der viele innerhalb der CDU erschütterte und Bundeskanzler in spe Friedrich Merz vor ein Problem stellt, hat Carsten Linnemann überraschend auf einen Ministerposten verzichtet, zuerst hatte “Bild” die News. Der Generalsekretär der CDU, seit Jahren als Vordenker der Partei bekannt, zieht sich damit aus der ersten Reihe einer möglichen schwarz-roten Bundesregierung zurück – und lässt nicht nur Fragen, sondern auch Enttäuschung zurück.
Linnemann, ein überzeugter Wirtschaftsliberaler und ehemaliger Chef der Mittelstandsvereinigung, galt als gesetzt für das Wirtschaftsressort – einem Posten, den er laut Insidern sogar favorisierte. Dass er nun doch nicht in das Kabinett einzieht, begründet er offenbar mit Überzeugung: Er wolle die Arbeit an der inhaltlichen Erneuerung der CDU fortsetzen.
Doch Ulrich Windolph, Chefredakteur des Westfälischen Volksblatts, blickt tiefer. In seinem Leitartikel schreibt er: “Die Arbeit ist also nicht getan”, und führt aus, dass Linnemann die angestrebte “Politikwende” im Wahlergebnis von 28,5 Prozent nicht eingelöst sieht. Der Paderborner ziehe daher “die Parteikarte” – ein bewusster Rückzug aus Verantwortung oder doch eher ein Ausdruck von Enttäuschung über die Koalitionsrealität?
Windolph konstatiert: “Linnemann ahnte: ‘CDU pur’ hätte er als Wirtschaftsminister, der im neuen Ressortzuschnitt noch einmal erheblich an Einfluss verliert, kaum liefern können.” Die Gefahr, in einem machtpolitisch verwässerten Ministerium bloß als Erfüllungsgehilfe aufzutreten, scheint für den Idealisten zu groß gewesen zu sein.
Dabei hatte Linnemann selbst erst wenige Tage zuvor erklärt: “Ja, ich traue mir einen Posten im Kabinett zu.” Für viele klang das wie eine klare Zusage. Umso größer nun das Unverständnis über seinen Rückzieher.
Windolph lässt keinen Zweifel an den Konsequenzen: “Nein, dieser Verzicht ist nicht nur ein Paukenschlag, sondern er ist ein kapitaler Rückschlag für Merz und die Union.” Und weiter: “Für die zukünftige Regierung, vor allem aber für die deutsche Wirtschaft und für unser Land ist seine Entscheidung eine schlechte Nachricht.”
Die CDU ringt derweil um Fassung. Die Reihenfolge “Erst das Land, dann die Partei, dann die Person”, scheint durch Linnemanns Schritt auf den Kopf gestellt – eine symbolträchtige Geste, deren Nachwirkungen noch lange zu spüren sein dürften.
Linnemanns Rückzug: Merz’ erste Bewährungsprobe
Ist der Verzicht des CDU-Generalsekretärs Carsten Linnemann auf ein Ministeramt nur “der sprichwörtliche Sack Reis in China, der niemanden interessiert? Oder handelt es sich doch um jenen Flügelschlag eines Schmetterlings, der am Ende einen politischen Tornado auslösen wird?” Diese Frage stellt Thomas Seim in der “Neuen Westfälischen” und beleuchtet die Hintergründe einer überraschenden Entscheidung, die die CDU in einer sensiblen Phase trifft.
Zwar inszenierten Friedrich Merz und Linnemann am Dienstag Einigkeit – der Paderborner verzichte “freiwillig” auf ein Kabinettsamt, um als Generalsekretär die Partei zu führen. Doch Seim hinterfragt die Narrative: “Überzeugend ist das nicht.” Noch am Sonntag hatte Merz in einer Talkshow betont, er werde “jegliche Namensnennung zu Ministerämtern auf die Zeit nach seiner Kanzler-Wahl verschieben”. Dass nun doch Details durchsickerten (“er habe ihm die Wahl zwischen Minister- und Parteiamt gelassen”), wirke “wie ein Bruch der eigenen Spielregeln”.
Zudem lastet auf Linnemann das “nicht überzeugende Wahlergebnis der CDU”, das er als Wahlkampfchef verantwortet. “Eine Beförderung ins Kabinett ist damit nicht zwingend vorgegeben”, so Seim. Hinzu komme Linnemanns Enttäuschung über den Koalitionsvertrag mit der SPD: Aus seinem Umfeld hieß es, er habe auf ein “Superministerium für Wirtschaft und Arbeit” gehofft, um “das Thema Bürgergeld aus seiner Sicht anzugehen”.
Die alte CDU-Frage: “Was wird eigentlich aus mir?”
Seim zitiert einen bonmot-haften Grundsatz rheinischer CDU-Politiker: “Lass uns mal über die Sache reden: Was wird eigentlich aus mir?” Linnemann betonte zwar, ihm gehe es “in seinem ganzen politischen Leben immer um die Sache”. Doch ob das reicht, um die “Waage der Unzufriedenheit” in der Union zu beruhigen, bleibt offen. “Oder wird es am Ende doch ein Tornado auf Merz’ Weg ins Kanzleramt?”
Der Rückzug Linnemanns offenbart Machtspiele und fragile Loyalitäten – und könnte Merz’ erste Nagelprobe werden. Denn, so Seim: “Die Windböen an der Basis des geplanten Koalitionspartners SPD sind noch gar nicht eingerechnet.”