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CDU-Bundestagsabgeordnete Simone Borchardt: Pflege als politische Herzensangelegenheit

Sonntag, 2. Februar 2025
Interview von Fatih Yildirim

Pflegende Angehörige sind eine tragende Säule unseres Gesundheitssystems – dennoch fehlt es oft an finanzieller Unterstützung und Entlastung. CDU-Bundestagsabgeordnete Simone Borchardt setzt sich für bessere Rahmenbedingungen ein. Im Interview spricht sie über höhere Pflegegelder, digitale Innovationen und die Bedeutung einer zukunftssicheren Pflegepolitik.

Zur Person: Simone Borchardt, geboren am 11.09.1967 in Schkeuditz, kandidierte im Jahr 2021 erstmals im Bundestagswahlkreis 13 Ludwigslust Parchim II – Nordwestmecklenburg II – Landkreis Rostock I. Dabei erzielte sie das zweitbeste Erststimmenergebnis. Über Platz drei der CDU-Landesliste zog sie in den Bundestag ein. Frau Borchardt ist Mitglied des Gesundheits- und Petitionsausschusses sowie stellvertretendes Mitglied des Verteidigungsausschusses und des Ausschusses für Arbeit und Soziales. Innerhalb der CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist sie unter anderem Berichterstatterin für Drogen- und Suchtpolitik, ärztliche Versorgung, Heil- und Hilfsmittelversorgung sowie Co-Vorsitzende in der Gruppe der Frauen. Weiterhin ist sie Mitglied des Bundesvorstands der CDU-Mittelstands- und Wirtschaftsunion MIT und dort Co-Vorsitzende der Kommission für Gesundheit und Pflege. Neben der Ausübung ihres Bundestagsmandats war Simone Borchardt bis 2023 als Geschäftsführerin einer Fachpflegeeinrichtung tätig. Zuvor übte sie mehrere leitende Funktionen in einer großen deutschen Krankenkasse aus. Von 2001 bis 2003 machte sie eine Weiterbildung zur Krankenkassen-Betriebswirtin. Zwischen 2018 und 2020 absolvierte sie ein Master-Fernstudium in Gesundheitsmanagement. Mit ihrer Expertise und Erfahrung aus der Praxis setzt sich Simone Borchardt gezielt für strukturelle Verbesserungen im Gesundheits- und Pflegebereich ein.

Pflegende Angehörige leisten einen unverzichtbaren Beitrag zur Gesellschaft und entlasten unser Gesundheitssystem erheblich. Welche konkreten Maßnahmen planen Sie, um ihre finanzielle Situation zu verbessern und sicherzustellen, dass sie nicht in Altersarmut abrutschen?

Simone Borchardt: Pflegende Angehörige verdienen mehr Anerkennung und Unterstützung. Gleichzeitig sind die Angehörigen auch die Lösung, um langfristig stationäre Pflege zu verhindern. Deshalb setze ich mich für eine Erhöhung des Pflegegeldes ein, um die steigenden Lebenshaltungskosten und die inflationsbedingten Mehrbelastungen auszugleichen. Denn wer länger in der Häuslichkeit verbleiben kann, wird nicht vorschnell aus seinem vertrauten Umfeld gerissen. Zudem fordere ich eine regelmäßige Anpassung der Pflegesachleistungen an die Lohnentwicklung, damit pflegende Angehörige finanziell nicht benachteiligt werden. Ein weiterer wichtiger Punkt, der dabei mitgedacht werden muss, ist die Erhöhung des Schonvermögens für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen auf 60.000 €, um die finanzielle Absicherung zu verbessern. Langfristig muss geprüft werden, ob ergänzende private Vorsorgemodelle, die steuerlich gefördert werden, sinnvoll sind, um Altersarmut präventiv entgegenzuwirken. Grundsätzlich muss auch die Prävention wieder in den Vordergrund. Wir müssen uns von der Vorstellung verabschieden, dass Alter direkt mit Pflegebedürftigkeit gleichgesetzt wird.

Ein zentraler Baustein zur Unterstützung pflegender Angehöriger ist der kostenfreie Zugang zu zum Verbrauch bestimmter Pflegehilfsmitteln, da diese den Pflegealltag erleichtern und gesundheitliche Risiken für Pflegende und Pflegebedürftige reduzieren. Welche Schritte sollten aus Ihrer Sicht unternommen werden, um sicherzustellen, dass diese Hilfsmittel unbürokratisch und flächendeckend bereitgestellt werden?

Simone Borchardt: Wir müssen sicherstellen, dass pflegende Angehörige nicht durch unnötige Bürokratie belastet werden. Daher stehe ich für eine stärkere Digitalisierung im Pflegebereich ein. Konkret bedeutet das für mich die Einführung eines automatisierten Antragsverfahrens nicht nur für Pflegehilfsmittel, sondern eben auch für generelle Heil- und Hilfsmittel. Mit jeder frühzeitigen Unterstützung verringern wir die Anzahl von Bürgerinnen und Bürgern, die im späteren Verlauf ihres Lebens tatsächlich stationär gepflegt werden müssen. Darüber hinaus ist ein verbesserter Datenabgleich zwischen Krankenkassen notwendig, um Doppelanträge und Verzögerungen zu vermeiden. Wir als Union unterstützen auch die stärkere Einbindung digitaler Hilfsmittel, nicht nur für pflegende Angehörige, wie zum Beispiel sprachgesteuerte KI für die Pflegedokumentation, um Zeit und Ressourcen effizienter zu nutzen und den Pflegesektor insgesamt zu entlasten.

Bürokratische Hürden erschweren vielen pflegenden Angehörigen den Zugang zu Unterstützungsleistungen. Wie wollen Sie das Antragsverfahren für Pflegegeld, Entlastungsangebote und Pflegehilfsmittel digitalisieren und vereinfachen, um Betroffene schneller und effizienter zu entlasten?

Simone Borchardt: Die Entbürokratisierung des Pflegesystems ist dringend notwendig. Gerade deshalb ist eine umfassende Digitalisierung der Antragsverfahren das Gebot der Stunde. Durch digitale Plattformen soll der Zugang zu Leistungen wie Pflegegeld oder Entlastungsangeboten vereinfacht und beschleunigt werden. Wir fordern klare Fristen zur Bearbeitung von Anträgen, auch für ambulante Pflegedienste, die eine enorm wichtige Säule im System und im Zusammenspiel mit den Angehörigen darstellen, um lange Wartezeiten zu vermeiden. Zudem wollen wir den Einsatz von Schiedsstellen als Verzögerungstaktik bei der Kostenerstattung eindämmen und verbindliche Entscheidungsfristen etablieren, damit finanzielle Unterstützung schnell bei den Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen ankommt und ambulante Pflegedienste nicht jede Leistung ohne wirtschaftliche Sicherheit vorfinanzieren müssen

Pflegebedürftige werden oft von Angehörigen betreut, die keinerlei Schulung oder Anleitung erhalten. Halten Sie verpflichtende, aber kostenlose Schulungen für pflegende Angehörige für sinnvoll, um sowohl die Pflegequalität als auch die Gesundheit der Pflegenden zu schützen?

Simone Borchardt: Nein, zwar wären kostenfreie Schulungen durchaus ein sinnvoller Schritt, aber wir brauchen nicht mehr Verpflichtungen, sondern wir müssen in Deutschland mehr möglich machen. Man stelle sich vor, man würde Schulungen für werdende Eltern einführen. Für diese Art der Bevormundung steht die CDU nicht. Pflegende Angehörige helfen nicht nur, die Pflegequalität zu sichern, sondern schützen auch die Gesundheit der pflegenden Angehörigen selbst, indem sie selbst am besten wissen, welche Pflege ihre Angehörigen benötigen. Eine praxisnahe Unterstützung kann aber zum Beispiel in Form einer digitalen Pflege-DiGa dabei helfen, Überlastung zu vermeiden und pflegebedingte Gesundheitsrisiken zu reduzieren.

Die Zahl der Pflegebedürftigen wird in den kommenden Jahren weiter steigen, während der Fachkräftemangel in der Pflege zunimmt. Welche politischen Konzepte haben Sie, um pflegende Angehörige langfristig zu entlasten und die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf nachhaltig zu verbessern?

Simone Borchardt: Um die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf zu verbessern, setzen wir auf mehrere Maßnahmen:

  • Stärkung der Tagespflege: Durch feste Vergütungssätze und eine bessere Refinanzierung der Tagespflege schaffen wir mehr Entlastung für pflegende Angehörige.
  • Förderung neuer Wohnkonzepte: Mehrgenerationenhäuser und altersgerechte Wohnformen sollen gezielt ausgebaut werden, um eine wohnortnahe Pflege zu ermöglichen.
  • Bekämpfung des Fachkräftemangels: Wir fordern eine bessere und vor allem schnellere Anerkennung ausländischer Pflegekräfte sowie eine praxisnähere Pflegeausbildung, um den Personalbedarf langfristig zu decken
  • Individuelle Pflegebedarfsplanung statt starrer Quoten: Aus der Praxis kann ich Ihnen sagen, dass häufig nicht die Menge an Aufgaben vorhanden ist, die nur von Fachkräften erledigt werden können. Das heißt um Umkehrschluss, dass viele Assistenzaufgaben ebenfalls von Fachkräften übernommen werden.

Welche Rolle spielt das Thema Pflege in Ihrem Wahlkampf, in Ihrer Heimat und für Sie persönlich?

Simone Borchardt: Als ehemalige Geschäftsführerin einer Pflegeeinrichtung und mit über 30 Jahren Berufserfahrung im Gesundheitssystem sind die Herausforderungen der Pflege für mich nicht neu. Pflege war bereits in den letzten drei Jahre eine der zentralen Themen, die mich im Gesundheitsausschuss umgetrieben haben. In meiner Heimat stehen viele Familien vor der schwierigen Aufgabe, Angehörige zu pflegen und gleichzeitig berufstätig zu bleiben. Gerade in den ländlichen Regionen sind immer häufiger die Infrastrukturen noch ausgedünnter als in der Stadt. Daher ist es mir ein persönliches Anliegen, dass Pflegebedürftige gut versorgt werden und pflegende Angehörige die Unterstützung erhalten, die sie brauchen. Mein Ziel ist es, Pflege zukunftssicher zu gestalten – durch finanzielle Entlastung, digitale Innovationen und eine bessere Vereinbarkeit von Pflege und Beruf. Im Wahlkampf setze ich mich für eine zukunftssichere Pflegepolitik ein, die auf drei Säulen basiert: finanzielle Sicherheit, Entbürokratisierung und eine bessere Personalausstattung. Wir brauchen Lösungen, die langfristig tragfähig sind und gleichzeitig die Belastungen für pflegende Angehörige spürbar reduzieren.

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