Capital Beat TV

 
 

So könnte die EU Musk ärgern und das autonome fahrende Autos sicherer machen

Dienstag, 22. April 2025
Stefan Laurin

Elon Musk hat Tesla-Ingenieure gezwungen, bei der Entwicklung autonom fahrender Autos auf eine Schlüsseltechnologie zu verzichten. Für künftige wirtschaftliche Auseinandersetzungen zwischen der Europäischen Union und den USA ergibt sich daraus eine Handlungsoption jenseits von Zöllen.

In San Francisco, Phoenix, Los Angeles und Austin kann man die Zukunft des Autos sehen:  Wöchentlich werden in diesen US-Städten über 200.000 bezahlte Fahrten von autonomfahrenden Autos durchgeführt, die von der Alphabet-Tochter Waymo entwickelt wurden. Autonomes Fahren, da sind sich viele Experten sicher, wird zunächst das von einem Fahrergelenkte Taxi ablösen und später den Verkehr revolutionieren: Immer mehr Menschen werden auf das eigene Auto verzichten und sich bei Bedarf fahrerlos fahren lassen. Alle großen Automobilhersteller der Welt arbeiten an Konzepten zum autonomen Fahren.

Es gibt fünf Stufen des autonomen Fahrens. Auf Stufe 1 (Assistiertes Fahren) unterstützen Assistenzsysteme wie der Abstandsregeltempomat den Fahrer. Auf Stufe 2 kann das Auto beispielsweise selbstständig einparken. Bei Stufe 3 ist es nicht mehr notwendig, dass der Fahrer das Fahrzeug durchgehend überwacht. Das Auto übernimmt Aufgaben wie das Betätigen des Blinkers, den Spurwechsel und das Halten der Spur. Der Fahrer kann sich in dieser Zeit anderen Tätigkeiten widmen, wird jedoch bei Bedarf rechtzeitig vom System aufgefordert, die Kontrolle wieder zu übernehmen.

Im Jahr 2022 erhielt Mercedes-Benz als weltweit erster Automobilhersteller die Zulassung für ein Fahrsystem der Stufe 3. Es ermöglicht eine selbstständige Fahrt auf der Autobahn mit einer Geschwindigkeit von bis zu 60 km/h, sofern die Wetterbedingungen günstig sind. Im Jahr 2024 wurde die Zulassung auf eine maximale Geschwindigkeit von 95 km/h erweitert. Auf Stufe 4 wird die Führung des Fahrzeugs dauerhaft vom System übernommen, aber der Fahrer kann noch aufgefordert werden einzugreifen. Die Königsklasse ist die Stufe 5, die Waymo erreicht hat: Ein Fahrer ist nicht mehr erforderlich. Das Auto findet selbstständig zu seinem Ziel.

Auch Tesla-Chef und Trump-Buddy Elon Musk ist ein Fan des autonomen Fahrens. Wie alle großen Automobilhersteller arbeitet auch Tesla an Fahrzeugen, die keine Fahrer mehr benötigen. Seit 2016 kündigt Musk autonom fahrende Teslas an, ab dem kommenden Jahr will er sie angeblich in großen Stückzahlen produzieren. Doch Musk hat sich für einen technischen Sonderweg entschieden. Damit ein autonom fahrendes Auto „sehen“ kann, was um es herum geschieht, setzen Hersteller wie VW, Mercedes, Waymo oder BYD auf eine Kombination aus Kamerasystemen und Lidar –Lasersystemen, die auch bei Nebel, Regen und Schnee den Überblick behalten. Alle aus den verschiedenen Sensorsystemen gesammelten Daten werden in eine selbstlernende KI eingespeist, die dafür sorgt, dass die Fahrzeuge mit jedem gefahrenen Kilometer sicherer werden – denn alle gemachten Erfahrungen fließen in die Weiterentwicklung ein. Nur ein Hersteller will auf Lidar verzichten, das mittlerweile sogar in günstigen Saugrobotern zum Einsatz kommt: Tesla.

Musk war schon 2013 gegen Lidar, als die Entwicklung autonom fahrender Autos noch in den Anfängen steckte. Walter Isaacson zitiert ihn in seinem Buch „Elon Musk: Die Biografie“:„Das Problem an der Herangehensweise von Google ist, dass deren Sensorsystem zu teuer ist“, bemerkte er 2013. „Ein optisches System, also Kameras mit einer Software, die allein durch Beobachtung der Außenwelt berechnet, was vor sich geht, ist besser.“

Edward Niedermeyer, der ein kritisches Buch über Tesla mit dem Titel „Der Ludicrous-Modus“ geschrieben hat, postete laut Isaacson eine ganze Reihe von Tweets: “Bei der Verbesserung der normalen Fahrassistenzsysteme setzt die Industrie auf mehr Radar und sogar auf neuartige Systeme wie LiDAR und Thermal Imaging“, schrieb er. „Tesla jedoch bewegt sich in bemerkenswerter Weise rückwärts.“
„Musk setzte sich gegen seine eigenen Ingenieure durch – und zwang sie, auf eine überlegene Technologie zu verzichten. Musk hat seine Meinung zu Lidar bis heute nicht geändert und Tesla auf einen Sonderweg geschickt. Kamerasysteme allein mögen die Augen von Fahrern ersetzen können – aber nur mit Systemen wie Lidar ist es möglich, dass Autos besser „sehen“ als Menschen. Dabei geht es nicht um Luxus, sondern um Sicherheit – wie jedem klar ist, der schon einmal bei dichtem Nebel oder Schneefall Auto gefahren ist.

Die EU hat 2022 Regeln für den Betrieb autonomer Fahrzeuge erlassen. Obwohl diese Verordnungen einen umfassenden Rahmen für die Zulassung und den Betrieb automatisierter Fahrzeuge bieten, enthalten sie keine spezifische Verpflichtung zur Verwendung bestimmter Sensortechnologien wie Lidar. Stattdessen konzentrieren sie sich auf Leistungsanforderungen und Sicherheitsstandards, die von den Herstellern erfüllt werden müssen. Es liegt somit in der Verantwortung der Fahrzeughersteller, geeignete Technologien auszuwählen, um diesen Anforderungen gerecht zu werden. Würde die EU ihre Regeln ändern und zum Beispiel gemeinsam mit China Lidar als Standard festschreiben, wäre das weder für europäische, koreanische, japanische oder chinesische Hersteller ein Problem – und auch Waymo wäre davon nicht betroffen. Nur ein großer Hersteller würde Probleme bekommen: Tesla. Um auf dem europäischen und chinesischen Markt autonom fahrende Autos verkaufen zu dürfen, müsste das Unternehmen sein komplettes Konzept überarbeiten.

Warum ist es politisch relevant, wie Tesla autonomes Fahren technisch umsetzt? Diese technische Entscheidung ist keine bloße Spielart unter vielen, sondern könnte massive Auswirkungen auf Marktchancen und Sicherheitsstandards weltweit haben. Für Musk wäre das ein herber Schlag – für die Sicherheit ein Gewinn.

Es gibt für so ein Vorgehen übrigens ein Vorbild: In den 1980er-Jahren wurde in Europa das „Global System for Mobile Communications“ (GSM) als Standard für Mobiltelefone vorgeschrieben. Es ermöglichte unter anderem das mobile Telefonieren zwischen verschiedenen Netzen und sorgte dafür, dass sich der Mobilfunk in Europa schneller als in den USA durchsetzte. Heute ist GSM weltweiter Standard. Niemand braucht mehr mehrere Telefone, um verschiedene Netze nutzen zu können – wie es in den 1990er-Jahren in den USA durchaus noch üblich war. Die EU hatte damals den Mut, mit einem klaren Standard dem Markt eine Richtung vorzugeben – und wurde belohnt. Mehr Sicherheit, ein Standard, der europäischen Herstellern und vielen anderen nutzt – und nur einem schadet: Elon Musk. Klingt doch gar nicht schlecht.

Teilen

Wir verwenden Cookies, um dir das bestmögliche Nutzererlebnis zu bieten. Darüber hinaus nutzen wir Google Analytics, um die Nutzung unserer Website zu analysieren und zu verbessern. Deine Daten werden dabei anonymisiert verarbeitet. Du kannst der Verwendung von Google Analytics jederzeit zustimmen oder sie ablehnen. Weitere Informationen findest du in unserer Datenschutzerklärung.