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Kommentar

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Freitag, 4. April 2025
von Egon Huschitt

Die CDU suchte nach der Ära Merkel verzweifelt nach einer konservativen Identität – nach jemandem, der die Partei in ihrer alten Form verkörpert, nachdem viele Mitglieder sie unter Merkel entkernt sahen. Nach den gescheiterten Versuchen mit Annegret Kramp-Karrenbauer und Armin Laschet, der auch dank Markus Söders Schützenhilfe die Wahl verlor, erinnerte man sich an Friedrich Merz. Oder genauer gesagt: Er brachte sich selbst in Erinnerung.

Merz, einst von Merkel entmachtet, wurde nun zum Anti-Merkel. Das reichte der Partei und Fraktion, um ihn zum Vorsitzenden zu machen. An seiner Seite: Carsten Linnemann als Generalsekretär und Thorsten Frei als Parlamentarischer Geschäftsführer. Die Oppositionsarbeit lief ohne größere Pannen – doch nur, weil die Ampel genug Angriffsfläche bot. Strategie und Kommunikation blieben hier schon Mangelware.

Dann kam der erste große Aufschrei: Ein Entschließungsantrag zur Abschaffung des Familiennachzugs für subsidiär Schutzberechtigte – ein sinnloses Manöver, das allein von der AfD mitgetragen wurde. Warum Merz und seine Berater diesen Antrag stellten, bleibt ein Rätsel. Besonders brisant: Noch Wochen zuvor hatte Merz beteuert, keine Zufallsmehrheiten mit der AfD zu akzeptieren. Die politische und kommunikative Bruchlandung war perfekt. Niemand muss Friedrich Merz Fremdenfeindlichkeit unterstellen – doch sein Vorgehen wirkte amateurhaft.

Wo sind die Profis?

Falls Merz, Linnemann und Frei glaubten, die SPD würde aus staatspolitischer Verantwortung Merz vor der Wahl einen Vorteil verschaffen, war das naiv. Die Folge: Merz wirkte wie ein Umfaller und Lügner. Die CDU geriet unter Druck, Demonstrationen folgten, dann eine umstrittene Kleine Anfrage zur Arbeit von NGOs.

Dabei ist es nicht so, als hätten Merz & Co. keine Erfahrung. Merz saß in Brüssel, dann in Berlin, war Fraktionschef. Linnemann promovierte mit BMBF-Auszeichnung, arbeitete in der Wirtschaft, führte die Mittelstandsunion. Frei studierte Jura, lehrte, wurde Oberbürgermeister. Doch was ihnen fehlt, ist Regierungserfahrung. Keiner hat ein Ministerium geleitet. Keiner war Ministerpräsident. Und ob Verwaltungserfahrung in einer Großen Kreisstadt für die Berliner Politik reicht, ist fraglich.

Strategielos in den Wahlkampf

Hatten Merz und sein Team je gelernt, politische Kompromisse zu schmieden? Die CDU verlor gegenüber den Umfragen Prozentpunkte. Gleichzeitig schaffte sie es, die Grünen derart zu verärgern, dass eine spätere Zusammenarbeit nahezu unmöglich wurde – und das, obwohl sich abzeichnete, dass man sie gegen eine erstarkende AfD brauchen könnte. Noch Tage vor der Wahl fehlte jede Mäßigung im Ton gegenüber den Grünen.

Die CDU war nie eine Partei großer Ideologien, sondern eine, die das Regierungshandwerk beherrschte. Sie sorgte dafür, dass der Koalitionspartner – ob FDP oder SPD – nicht zu viel Unsinn machte. So blieb es ruhig. Heute jedoch kann sie nicht einmal verhindern, dass die Opposition das Regierungshandeln dominiert. Die SPD hat längst all ihre Wünsche platziert.

Es wirkt amateurhaft, wie der größere Partner der kommenden Koalition agiert. Das Geschrei in der Partei ist groß, Austritte häufen sich. Doch was genau hatten die Mitglieder erwartet, als sie einen Mann ins höchste Parteiamt wählten, der nie regiert hat? Und warum sind sie so schnell enttäuscht, wenn es ungemütlich wird?

Neue Realitäten, alte Muster

Unterdessen drehen sich die geopolitischen Rahmenbedingungen. Schon im Wahlkampf war klar, dass der wichtigste Verteidigungspartner Deutschlands von einem schwer kalkulierbaren Präsidenten geführt wird. Heute ist sicher: Donald Trump handelt erratisch, unzuverlässig. Die Konsequenz: Europa muss eigenständiger werden – militärisch wie wirtschaftlich.

Das kostet Geld. Und zwar jetzt. Mindestens 900 Milliarden Euro stehen neben dem normalen Bundeshaushalt zur Verfügung – für Verteidigung, Infrastruktur, lange vernachlässigt von CDU, SPD, FDP und Grünen.

Jede andere Regierung – erst recht eine CDU-geführte – würde mit diesem Geld das Wahlvolk in Watte packen. Merkel tat das meisterhaft. Denn am Ende ist Deutschland eine Vollkasko-Nation, die sich damit zufriedengibt, dass „sich jemand kümmert“ – am besten geräuschlos.

Unter Merkel funktionierte das. Bis die AfD mit ihrem Migrationsthema den Diskurs kaperte. Ein Thema, das die anderen Parteien kommunikativ nicht kontern konnten. Die AfD schafft es immer, Verbrechen mit migrantischen Tätern wochenlang im Fokus zu halten, während andere Fälle schnell aus den Schlagzeilen verschwinden.

Der Zufall könnte Merz helfen – wenn er ihn nutzt

Ironischerweise spielt die Zeit Merz in die Karten. Nancy Faesers Maßnahmen zur Migrationsbegrenzung zeigen erste Erfolge. Brüssel hat Schritte eingeleitet, die Migration reduzieren. Eine mögliche Beruhigung in Syrien und vielleicht – in welcher Form auch immer – in der Ukraine könnte Geflüchteten die Rückkehr ermöglichen.

Merkel hätte solche Zufalls- und Fremderfolge am Ende als ihr Werk verkauft. Merz? Ihm fehlt das politische Geschick, das zu tun.

Und auch in seinem Umfeld fehlen Profis. Julia Klöckner versaute ihren Start als mögliche Bundestagspräsidentin. Jens Spahn, einer der wenigen mit Regierungserfahrung, trägt das Gepäck der Maskendeals – und eine bedenkliche Nähe zu Trumps Leuten. Karin Prien, gehandelt als Bildungsministerin, hat zumindest Erfahrung auf Landesebene. Doch viele der kolportierten Ministerkandidaten sind langjährige Parlamentarier – ohne Verwaltungserfahrung.

Wenn nicht in der ersten Reihe, dann braucht es zumindest in der zweiten Reihe kluge Köpfe, die wissen, wie man ein Ministerium führt. Denn die neue Regierung wird keine Zeit haben, sich einzuarbeiten. Der Handlungsdruck ist gigantisch, die kommunikativen Herausforderungen immens.

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