Drohnen unbekannter Herkunft über kritischer Infrastruktur: Europa will sich wehren
Abschießen, per Störsender zum Absturz bringen, einfangen - Technisch geht viel, aber politisch-juristisch noch wenig
Unerlaubtes Drohnenfliegen kann in Deutschland zu Bußgeldern bis zu 50.000 Euro oder sogar zu Freiheitsstrafen von bis zu 10 Jahren führen – abhängig von der Schwere des Verstoßes. Und trotz dieser doch recht hohen Strafen, wurden In den vergangenen Wochen immer wieder unidentifizierte Drohnen über europäischen Flughäfen und militärischen Anlagen gemeldet: München, Frankfurt und mehrere Standorte in Skandinavien führten zu vorübergehenden Flugunterbrechungen, in Dänemark und Norwegen war zeitweise sogar der Flugverkehr lahmgelegt.
Die Berichte zu den Vorfällen sprechen von mehreren, zum Teil großen, teils schwarmartigen Flugobjekten; internationale Medien und Sicherheitskreise vermuten eine Verbindung zu russischen Mischformen aus Aufklärung und Einschüchterung, die Moskau bestreitet. Oder Wladimir Putin zieht die Drohnensichtungen gar ins Lächerliche wie im Diskussionsklub „Waldai“ in Sotschi am Schwarzen Meer. Dort spottete er, er werde es nicht mehr tun – ganz davon abgesehen habe Russland gar keine Drohnen, die so weit fliegen könnten.
Europa ist nicht gut vorbereitet
Zwar verfügen viele Staaten über Sensoren und lokale Gegenmaßnahmen, doch ein europaweiter, integrierter „Drohnen-Schirm“ existiert de facto nicht. Die EU-Kommission und einzelne Staaten diskutieren nun großflächige Lösungen; Präsidentin von der Leyen nannte den Vorschlag einer „Drone Wall“ als Priorität. Experten warnen aber, dass ein flächendeckendes System Milliarden kosten und Jahre zur Umsetzung benötigen würde.
Das Dilemma in Deutschland: Wer darf (ab)schießen?
Deutschland steht bisher vor einem juristischen Dilemma. So beschränkt das Grundgesetz beschränkt militärische Einsätze im Inland, die Polizei hat nur begrenzte Befugnisse gegen Luftfahrzeuge. Nach den jüngsten Vorfällen hat die Bundesregierung aber ein Gesetzespaket beschlossen, das der Bundespolizei ausdrücklich das Abschießen „unautorisierter“ Drohnen erlauben soll. Das regelt genau, wann und wo die Bundeswehr einspringen soll. Also nur dann, wenn die Gefahr schwerwiegender ist oder sie die Reichweite oder Taktik der Polizei übersteigen.
Heißt aber auch: Im Fall der Fälle muss eine Instanz entscheiden, ob die o.g. Voraussetzungen gegeben sind. Für den deutschen Innenminister Dobrindt gelten drei Prioritäten: So brauche es ein gemeinsames Abwehrzentrum, eine Bundespolizei-Einheit und den entsprechenden Aufbau von Forschung und Technik. Die Parlamentsdebatte hierzu läuft noch.
Mit welchen Mitteln lässt sich eine Drohne neutralisieren?
Dabei verfügt der Deutschland eigentlich schon über gute technische Voraussetzungen. So hat die Firma Droniq, ein Joint Venture aus der Deutschen Telekom und der Deutsche Flugsicherung GmbH (DFS) schon entsprechende Systeme, um sowohl identifizierbare als auch unidentifizierbare Drohnen sichtbar zu machen.
Vom eigenen System ließen sich 95 % aller Drohnen (und auch die Standorte der Drohnenpiloten) sichtbar machen. Konkret erfasse man die von gängigen Drohnensystemen genutzten Frequenzbänder und identifiziere damit dann Drohne und Reiter. Zuletzt überzeugte dieses System etwa bei der Sprengung des Hochhauses „Weißer Riese“. Dort gab es einen Sperrkreis um das Sprenggebiet – nicht erlaubte Drohnen wurden detektiert und anschließend die Polizei zum Standort des entsprechenden Piloten geschickt.
Abschießen, Stören, vom Himmel bringen
Es gibt aber noch diverse weitere Möglichkeiten der Drohnenabwehr. So steht technisch steht ein großes Arsenal zur Verfügung: angefangen bei elektromagnetischen Störsendern und GPS-Jamming über gerichtete Funkstörer, Radar- und Optiksensoren zur Erfassung, Netze und „Physische Abfänger“ bis hin zu stationären oder mobilen Waffensystemen wie Kurzstrecken-Geschützsystemen und Lenkwaffen sowie Abfangdrohnen und automatisierte Türmen. Deutschland besitzt die Technik, nun ist es Zeit, mit den Herstellern alles auch schnell, planvoll und in hoher Zahl umzusetzen.
Lehrmeister Ukraine
Als Vorbild beim Aufbau eines Drohnenabwehrsystems können sich Deutschland und die EU sicher auch die Ukraine nehmen. Diese hat in den letzten Jahren ein „geschichtetes“ Abwehrkonzept entwickelt: gro߬räumige Radar- und Luftabwehr, gepaart mit preiswerten Abfang-Drohnen, KI-gesteuerten Türmen wie dem sogenannten „Sky Sentinel“ und einem Netzwerk aus Mikrofonen zur akustischen Frühdetektion.
Interessant dabei: Interceptor-Drohnen und automatisierte Geschütztürme haben sich hier als deutlich als kosteneffizienter erwiesen als teure Lenkwaffen. So sind manche Einheiten für Beträge von wenigen hundert Dollars einsatzbereit. Ein winziger Bruchteil teurer Flugabwehrraketen.
Ein europäischer Drohnenschirm an der polnischen Grenze
Politisch ist ein solcher Drohnenschirm erwünscht. Einen solchen Schirm technisch umzusetzen, stellt ebenfalls kein Problem dar. Schwierig ist die Komplexität eines solchen Verteidigungssystems – und sehr teuer und komplex. Das hat neben einem hohen Einsatz finanzieller Mittel auch zur Folge, dass es wahrscheinlich mehrere Jahre brauchen würde, ein solches System aufzubauen, das lückenlos das illegale Eindringen russischer Drohnen stoppen könnte. Zeit, die man nicht unbedingt hat und Geld, das für ein solches Verteidigungsnetz erst einmal freigegeben und investiert werden müsste.
Schneller ginge der Aufbau eines Gesamtsystems aus mehreren modularen und skalierbaren verfügbaren Systemen mit fahrzeugmontierten Systemen, vernetzten -Drohnen-Detektionssystem auf der Basis eines verteilten Sensornetzes mit Hardware-beschleunigter Signalverarbeitung. vernetzte Sensor-Knoten sowie Drohnen, die speziell geeignet sind, Radare oder andere Kommunikationssysteme zu stören.
Ein Blick in die Zukunft
Über dem Franz-Josef-Strauss-Flughafen in München schweben unidentifizierbare Drohnen. Dies melden Bodenradar und optische Sensoren per automatischem Alarm an die Luftverkehrsleitung und das Lagezentrum). Kurz darauf wird der Flugverkehr gestoppt, der Luftraum über dem Terminal wird geleert. Auftritt einer speziellen Polizeieinheit zur Drohnenbekämpfung, die versucht, das Steuer¬signal der unbekannten Drohnen per Jamming zu stören, um so die Drohnen zu kapern und zur Landung zu zwingen.
Gelingt das nicht, wird die militärische Option gezogen. Um die konkrete Gefahr zu eliminieren, steigen Abfangdrohnen in den Himmel. Alternativ wird in einer sicheren Zone außerhalb des Flughafengeländes das Feuer auf die Flugkörper eröffnet. Um die Schäden so gering wie möglich zu halten, müssen geparkte Flugzeuge evakuiert werden, Flächen für herabfallende Trümmer gesperrt werden und sichergestellt sein, dass von diesen keine Passagierbereiche getroffen werden.
Es mangelt an Zeit
Doch auch dieses idealtypische Szenario verlangt schnelle Entscheidungswege, technische Interoperabilität und juristisch klar geregelte Kompetenzen. Alles technisch möglich – nur eben noch nicht vorhanden. Insbesondere ist ein solches Szenario auch noch nicht politisch-juristisch und industriell (vor allem in der Massenproduktion) ausgereift. Die Zeit läuft, zumal einige Militärexperten eine weitere Eskalation von russischer Seite sowie gesteigerte Provokationen durch den Einsatz von Drohnen über Flughäfen und kritischer Infrastruktur prognostizieren.