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Die Insolvenz des Recyclers Saperatec ist symptomatisch für die Krise des Kunststoff-Recyclings

Ob recyceltes Plastik gegen Neuplastik bestehen kann, wird immer mehr zur Existenzfrage

Mittwoch, 1. Oktober 2025
Florian Lamp

Vor 16 Monaten gestartet, galt der Dessauer Kunststoffrecycler Saperatec mit seiner innovativen Recyclinganlage zur Trennung von Multilayer-Verpackungen wie z.B. Getränkekartons als eine Speerspitze des Kunststoff-Recyclings. 2024 erhielt man den Deutschen Verpackungspreis – und bitter ironisch erneut erst vor etwas mehr als einer Woche. Im Juli hatten die Dessauer schon Insolvenz angemeldet; heute, am 1. Oktober folgte die Insolvenzeröffnung.

Der Grund für das schnelle Ende: „Anhaltend schwierige Marktbedingungen“. Branchenbeobachter verwiesen zugleich auf die prekäre Preissituation für Rezyklate gegenüber billigem Neumaterial. Laut Klaus Wohnig, Beiratsmitglied von Saperatec, beklagte auf Linkedin, man habe alles zur Rettung des Unternehmens versucht, doch „ohne direkten Absatz“ mache ein weiteres Investment ohne Einbindung in eine größere Unternehmensgruppe keinen Sinn.

Selbst Leuchtturmprojekte werden gecancelt

Die Insolvenz der Saperatec gilt in Fachkreisen nicht als Einzelfall, sondern als symptomatisch. So meldete Anfang 2024 HC Plastics Insolvenz an und mit der GFR-Gruppe geriet schon 2023/2024 ein weiteres Unternehmen in Schieflage. Selbst größere Investitionsvorhaben internationaler Konzerne, gerieten zuletzt ins Stocken oder wurden ganz gestrichen. So wurden in Deutschland sowie den Benelux-Staaten mehrere geplante Großanlagen abgesagt, darunter die von Dow im sächsischen Böhlen geplante Kunststoffrecyclinganlage.

Auch im EU-Ausland stoppten Konzerne wie Borealis, Neste und Dow Vorhaben, die noch wenige Jahre zuvor als „Leuchttürme“ einer Kreislaufwirtschaft verkauft worden waren. Der Branchenverband Plastics Recyclers Europe warnte Anfang 2025, dass allein bis Jahresende fast eine Million Tonnen Recyclingkapazität verloren gehen könnten.

Darum sterben Recyclinganlagen

Drei Ursachen dominieren die Berichte. Erstens sind Rezyklate in Europa oft teurer als Virgin-Kunststoff, der aus frischem Erdöl gewonnen wird. Sammlungs-, Sortier- und Aufbereitungsprozesse sind nun einmal wesentlich kostenintensiver. Erst recht, wenn ein Überschuss an billigem, außerhalb Europas produzierten Neumaterial das Marktumfeld verdirbt, wie die Financial Times Ende letzten Jahres feststellte. Das erklärt, warum Investitionen in Recycling oft nicht rentabel werden.

Zweitens belasten volatile Energiepreise und Lieferketten die Margen, insbesondere bei mechanischem und chemischem Recycling. Drittens führen technische Hürden, Qualitätsanforderungen, z.B. wie beim Lebensmittelkontakt, und fehlende Abnahmemärkte zu Überkapazitäten in einzelnen Segmenten. Hinzu kommt eine wachsende Skepsis gegenüber Importen: Immer wieder kursieren Vermutungen, vermeintliche Rezyklate aus Asien seien in Wahrheit Neuware. Zwar gibt es entsprechende Nachweissysteme wie RecyClass oder ISCC+, doch sind diese bislang nicht flächendeckend bindend.

Nur Regulatorik reicht nicht

Wie reagiert die Politik? Auf nationaler Ebene hat die Bundesregierung eine „Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie“ vorgelegt, die Maßnahmen entlang der Wertschöpfungskette bündelt. Deutschland führt außerdem neue Instrumente ein, etwa eine erweiterte Herstellerverantwortung (EPR) für Einwegkunststoffe und Pläne für Abgaben beziehungsweise Gebühren auf Single-Use-Plastics, um Verursacher stärker in die Pflicht zu nehmen. Diese Instrumente sollen mittelfristig Anreize für recyclingfreundliches Design und Nachfrage nach Rezyklaten setzen, doch reichen sie aus?

Fachverbände und Studien sind der Überzeugung, dass es zusätzlich zwingend flankierende Marktinstrumente braucht. Eine Untersuchung von Conversio kommt zu dem Schluss, dass die Nachfrage das Angebot an Rezyklaten bis 2030 deutlich übersteigen dürfte; zugleich beklagt die Branche das anhaltende Preisgefälle zu Virgin-Material. Steigt die Zahl der Insolvenzen weiter an, so ist die Frage, wer in fünf Jahren noch auf dem Markt für ein Angebot sorgen kann.

Instrumente zur Förderung der Rezyklat-Nutzung

Diskutiert wird deshalb, wie Recycling wirtschaftlich stabilisiert werden könnte. Eine Möglichkeit ist, die Nachfrage nach Rezyklaten zu forcieren, etwa durch verbindliche Rezyklatanteile in Produkten oder durch öffentliche Beschaffung. Wenn Hersteller und Behörden verpflichtend Rezyklate einsetzen, entsteht planbare Nachfrage, die Investitionen absichert. Ein zweiter Hebel wäre es, Kostenwahrheit für Virgin-Kunststoffe herzustellen.

Gemeint ist, die externen Kosten fossiler Rohstoffe stärker einzupreisen – zum Beispiel über CO₂-Preise auf petrochemische Vorprodukte, Importzölle oder spezifische Abgaben auf Virgin-Kunststoffe. Damit würde das Preisgefälle verringert und Rezyklate würden konkurrenzfähiger. Schließlich fordern Branchenvertreter auch finanzielle Brücken und Absicherungen für Recycler: Staatliche Garantien, Abnahmevereinbarungen oder Innovationsförderung könnten Risiken mindern und die Wettbewerbsfähigkeit stützen.

Eine To-do-Liste für die Politik

Praktisch wird es auf eine Kombination hinauslaufen: verbindliche Rezyklatquoten, flankiert von erweiterter Herstellerverantwortung, Anschubförderung und einem Preishebel für Virgin-Material. Ebenso entscheidend sind bessere Sammel- und Sortiersysteme, denn die Qualität des Inputmaterials bestimmt über die Rentabilität jeder Anlage. Die EU- und nationale Gesetzgebung bewegen sich in diese Richtung, doch Umsetzung und Tempo sind entscheidend.

Zurück zu Saperatec: Die Insolvenz steht für ein Geschäftsmodell, das stark auf (berechtigter) Hoffnung basierte, dass im Rahmen der gesetzlichen Regelungen und der von der EU verabschiedeten PPWR die Nachfrage anziehe. Doch dem haben die Preise für Virgin-Material einen Strich durch die Rechnung gemacht. Will man die europäische Recyclingindustrie erhalten, muss schnell und signifikant nachgesteuert werden mit Instrumenten wie einer kombinierter Regulierung, Marktgestaltung und gezielter Förderung. Sonst droht Europa, in einer wichtigen Nachhaltigkeitsbranche zunehmend von Importen abhängig zu bleiben, während weiter industrielle Wertschöpfung und Arbeitsplätze verloren gehen.

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