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Der Umgang mit Flüchtlingen aus Syrien und Afghanistan

Ein unmoralisches Angebot an schutzbedürftige Afghanen und Syrien als Abschiebeort

Dienstag, 11. November 2025
Florian Lamp

Die Debatte um die Rückführung syrischer Geflüchteter hat in Berlin eine neue Schärfe erreicht: Offiziell ist für die Bundesregierung der Krieg in Syrien beendet. Damit sieht man grundsätzlich keine Asylgründe mehr für viele der in Deutschland Schutzsuchenden. Vornweg prescht Innenminister Alexander Dobrindt (CSU), der bekräftigte, dass „in einer kriegsfreien Region wie Syrien kein dauerhaftes Bleiberecht mehr bestehen kann“. In der Union überwiegt die Zustimmung. So wird der baden-württembergische CDU-Landeschef Manuel Hagel mit folgende Worten zitiert: „Wer soll denn dieses Land Syrien wieder aufbauen, wenn’s nicht die eigenen Staatsbürger sind?“

Wadephul auf einsamer Flur

Doch nicht alle Regierungsvertreter ziehen willig mit: Insbesondere Außenminister Johann Wadephul (CDU) sorgte mit seinen Aussage in einer Sitzung der Unionsfraktion für Kopfschütteln, als er Syrien mit dem Deutschland der Nachkriegszeit verglich und sagte: „Syrien sieht schlimmer aus als Deutschland 1945.“ Vorher hatte er auf einer Reise in einem Vorort von Damaskus laut Teilnehmenden festgestellt, dass man dort wirklich kaum menschenwürdig leben könne.

Ein Großteil der Fraktion zeigt Unverständnis

Der Aufruhr in seiner eigenen Fraktion war groß. Infolgedessen spekulierten anonyme Unionsvertreter über eine Ablösung Wadephuls als Außenminister. Fraktionschef Jens Spahn (CDU) kritisierte: „Gelegentlich hilft es im Zweifel, dann schnell die Dinge auch noch mal klarzustellen und einzuordnen.“

So steht die Bundesregierung vor einem doppelten Dilemma: Einerseits will man Stärke in der Flüchtlingspolitik demonstrieren – um der AfD Stimmen zu klauen – andererseits mahnen bundesinterne Stimmen zur Vorsicht, denn ein zu schneller Weg weist gefährdete Menschen zurück in eine Region, die strukturell noch nicht stabil ist.

Alexander Dobrindts „Bleib-weg-Prämie“

Parallel dazu steht das Kapitel der afghanischen Geflüchteten, denen die Bundesregierung einst im Rahmen von Aufnahmeprogrammen zugesagt hatte, von Pakistan aus, wohin sie vor den Taliban geflüchtet waren, nach Deutschland ausreisen zu dürfen. Konkret betroffen: die Menschenrechtsliste mit ca. 60 Wartenden und das Überbrückungsprogramm mit etwa 600 Menschen. Akzeptierten diese das Angebot, verzichteten sie auf spätere Ansprüche gegenüber der Bundesregierung.

Die Angst auch unter nicht von beiden Aufnahmeprogrammen betroffenen Afghanen wächst, so Markus Kurczyk, Generalmajor a.D. und Vorstandsmitglied beim Patenschaftsnetzwerk Ortskräfte e.V., das sich um ehemalige afghanische Ortskräfte kümmert. Etwa 300 dieser Menschen harrten noch in Pakistan aus, doch alle vom Netzwerk aktuell kontaktierten PolitikerInnen hätten zugesagt, diese in Deutschland aufgenommen würden, da gebe es keinen Zweifel.

Angst vor einer Rückkehr nach Afghanistan

Doch sowohl für afghanische Flüchtlinge, deren Aufenthaltsstatus auslaufe als auch für alle anderen vor den Taliban Geflüchtete gelte, dass diese sich auf die Zusagen seitens Deutschlands vertraut hätten. Jetzt fürchte man, in Zukunft nur noch ein Leben in Illegalität in Pakistan oder, noch schlimmer, eines in Afghanistan unter den muslimischen Fundamentalisten zu führen, da Pakistan drohe Personen ohne gültigen Aufenthaltsstatus zurückzuschicken.

Das Problem ist auch der Auslöser für die Prämie des Innenministers: Man befürchtet, das Gerichtsverfahren von Flüchtlingen nicht rechtzeitig abgeschlossen werden können und bietet stattdessen 1.500 Euro als „einmalige finanzielle Unterstützung in Pakistan vor der Ausreise“ an nebst 5.000 Euro Starthilfe pro Person.

Eine Perspektive oder ein beschämendes Angebot?

Während Alexander Dobrindt preist, das Angebot biete den Afghanen in Pakistan eine Perspektive, sehen das viele völlig diametral als eine moralisch äußert fragwürdige Prämie, denn es gab und gibt das Versprechen zu einer Ausreise. Stattdessen nun eine „Bleib-weg-Prämie“ anzubieten, damit die Betroffenen gerade nicht ins sichere Deutschland ausreisen können, klingt nicht besonders christlich aus dem Mund eines Ministers, dessen Partei ein „C“ im Namen trägt.

Noch schärfer fällt die Kritik aus, die zahlreiche Betroffene in einem öffentlichen Brief an Bundeskanzler Friedrich Merz, gegenüber Dobrindt und der Bundesregierung äußern. Hier herrschen Enttäuschung und Wut, wenn festgestellt wird, man habe zwei Jahre in Pakistan verbracht, und nun werde ihnen ein beschämendes und törichtes Angebot unterbreitet, das ihre Zukunft und die ihrer Kinder gefährde.

Das “C” im Namen der Unionsparteien und die Kritik der Kirchen

Die Doppelrolle der Kirche taucht in dieser Debatte besonders scharf auf: Während die christlichen Parteien CDU und CSU Forderungen nach Rückführungen oder Prämien für Ausreisewillige formulieren, kritisieren Kirchenvertreter diese Politik schon früher massiv, etwa bei der Debatte um das sogenannte „Zustrombegrenzungsgesetz“ Anfang 2025.
Konkret veröffentlichten schon damals die beiden großen Kirchen ein gemeinsames Schreiben, in dem sie den handelnden Politikern vorwarf, „alle in Deutschland lebenden Migranten und Migranteninnen zu diffamieren [und] Vorurteile zu schüren.“

Die Bundesregierung am Kreuzweg

Die Bundesregierung steht damit an einem Kreuzweg: Bei Syrien geht es um Rückkehrprinzipien, Wer ist schutzbedürftig? Bei Afghanistan um Versprechen und deren Einlösung. Beide Themen verlangen politische Klarheit, rechtliche Sorgfalt und moralisches Gewicht. Abschiebungspläne und Prämienangebote müssen sich messen lassen am Grundsatz der Menschenwürde – nicht nur am kalkulierten Migrationsmanagement. Denn wie die Kirche mahnte: Der Anspruch einer christlichen Politik darf nicht allein im Parteinamen stehen.

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