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Deutschland diskutiert Palantir

Zwischen Innovation und Sorge um den Rechtsstaat

Sonntag, 3. August 2025
Egon Huschitt

In Deutschland tobt eine lebhafte Debatte um den möglichen bundesweiten Einsatz der Analysesoftware Palantir durch die Polizei. Während einige Bundesländer, wie Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen, bereits auf das US-Produkt setzen, prüfen Innenministerium und Politik, ob die Software zur landesweiten Verbrechensbekämpfung eingesetzt werden sollte. Im Zentrum der Kontroverse stehen Fragen nach Sicherheit, Datenschutz und digitaler Souveränität – und die Sorge, ob der “gläserne Bürger” droht.

Justizministerium: Skepsis und verfassungsrechtliche Bedenken

Justizministerin Stefanie Hubig äußerte sich nachdrücklich kritisch zum Palantir-Einsatz: “Es ist wichtig, dass unsere Ermittlungsbehörden über zeitgemäße Instrumente verfügen, um schwere Straftaten aufzuklären und Gefahren abwehren zu können”, sagte sie der “Süddeutschen Zeitung”; es könnten nur solche Mittel genutzt werden, die mit rechtsstaatlichen Grundsätzen vereinbar seien. Besonders die Verarbeitung sensibler Daten sowie die Verwendung intransparenter Algorithmen durch ein privatwirtschaftliches Unternehmen seien aus verfassungsrechtlicher Sicht äußerst sensibel und müssten streng geprüft werden.

Ein Blick in die Praxis zeigt, dass Datenschutzbedenken keineswegs akademischer Natur sind. Die Gesellschaft für Freiheitsrechte und andere NGOs warnten vor einem “flächendeckenden Angriff auf die Privatsphäre” und reichten bereits eine Verfassungsbeschwerde gegen die in Bayern genutzte Palantir-Plattform ein.

Digitalminister Wildberger: Chancen für die Sicherheit – und für die europäische Souveränität

Digitalminister Karsten Wildberger verfolgt einen differenzierten Ansatz. Er zeigt sich offen für moderne Analysewerkzeuge wie Palantir: “Menschen und Staaten, die andere wertepolitische Vorstellungen haben und ganze Länder bedrohen, nutzen zunehmend Technologie. Wir sollten ebenfalls Technologien nutzen, um unseren Staat und unsere Demokratie zu schützen”, sagte Wildberger den Funke-Zeitungen. Er mahnt aber zugleich an, dass Europa und Deutschland eigene digitale Lösungen entwickeln sollten, um nicht dauerhaft von US-Konzernen abhängig zu bleiben.

Wildberger sieht den Einsatz der Software pragmatisch, fordert aber die Förderung europäischer Wettbewerber: “Wenn ein Anbieter eine solche Technologie bereitstellt, sollten wir in sie investieren. Wir sollten aber auch europäische Unternehmen haben, die solche Lösungen bieten können.”

Wie funktioniert Palantir?

Palantir ist eine Softwareplattform, die große Datenmengen aus unterschiedlichen Quellen zusammenführt, analysiert und visuell aufbereitet. In der Polizei-Praxis bedeutet dies: Ermittlungsdaten, Telefonverbindungsinformationen, Social-Media-Informationen, aber auch biometrische Daten können in Echtzeit miteinander verknüpft werden. Ziel ist es, Muster und Verbindungen zu erkennen, die Ermittlern die Identifizierung von Verdächtigen oder das Aufdecken von kriminellen Netzwerken ermöglichen – deutlich schneller, als es bisherige Systeme erlauben.

Ein ehemaliger Palantir-Mitarbeiter brachte es ironisch auf den Punkt: Wenn Jack Bauer Palantir gehabt hätte, hätten sie dessen Krimiserie “24” in “1” umbenennen müssen, weil die Software Vorgänge, die früher 24 Stunden dauerten, massiv beschleunige.

In Hessen wird die Plattform als “Hessendata” eingesetzt und ist inzwischen Kernstück der Ermittlungsarbeit. In Bayern heißt die Version „VeRA“ und wird sowohl bei Großlagen wie Terroranschlägen als auch bei gewöhnlicher Kriminalität genutzt.

Kritiker und politische Stimmen: Datenschutz, Souveränität, Machtfragen

Kritik wird vor allem von der SPD, den Grünen, Datenschützern und NGOs laut. SPD-Innenpolitiker Sebastian Fiedler bezeichnete Palantir-Mitgründer Peter Thiel gegenüber dem “Handelsblatt” als “Demokratiefeind von besonders bedrohlichem Kaliber” und verwies auf die engen Verbindungen des Unternehmens zu US-Geheimdiensten.

Auch Vertreter der “Gesellschaft für Freiheitsrechte” äußerten verfassungsrechtliche Bedenken: Die Software ermögliche, Daten zusammenzuführen und auszuwerten, “ohne wirksame Kontrolle, ohne Transparenz und ohne Schutz vor Fehlentscheidungen”. Besonders bedenklich sei, dass damit auch “Verbindungen zu Menschen hergestellt werden, die nicht im Zusammenhang mit Straftaten stehen”.

Zurückhaltend äußerten sich auch Kriminologen und Juristen. Sie bemängeln, dass die massenhafte Datenauswertung deren Grundrechte verletze – insbesondere das Recht auf informationelle Selbstbestimmung.

Gleichzeitig gibt es Befürworter, vor allem aus der Union und der Polizeigewerkschaft, die den digitalen Rückstand der deutschen Polizei betonen und die Effizienzgewinne bei der Bekämpfung von Terror und Organisierter Kriminalität ins Feld führen.

Das US-Militär und Palantir: Milliardenauftrag als Signal

Die Brisanz der Debatte um Palantir wird durch einen internationalen Großauftrag unterstrichen: Die US-Armee hat mit Palantir einen Rahmenvertrag im Umfang von bis zu zehn Milliarden Dollar über zehn Jahre geschlossen. Damit soll unter anderem die Modernisierung der Datenintegration und die Nutzung von KI-Systemen für das Militär beschleunigt werden. Leo Garciga, Chief Information Officer der US-Armee, nannte den Vertrag einen “entscheidenden Schritt in Richtung einer modernen und gleichzeitig kosteneffizienten Armee”.

Diese Entwicklung wirft in Deutschland zusätzliche Fragen auf, nicht nur zur digitalen Souveränität, sondern auch zur Unabhängigkeit von Sicherheitsinfrastrukturen.

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